Last updated on Oktober 30th, 2020 at 02:31 am
Mit Bangen haben wir im April die Debatte im polnischen Parlament über den Gesetzentwurf zum landesweiten Verbot des freiwilligen Schwangerschaftsabbruchs mitverfolgt. Trotz unserer Enttäuschung infolge ausbleibender Gesetzesverabschiedung lagen wir richtig, „auf das wahre Polen zu warten“. Und tatsächlich erwacht Polen nun zum Klang der Stimme der Ungeborenen: Denn das Verfassungsgericht in Warschau hat jetzt Schwangerschaftsabbrüche im Falle von Missbildungen des Fötus verboten und zudem die bisherige Regelung für verfassungswidrig erklärt, weil sie gegen drei Artikel des polnischen Grundgesetzes verstößt: den Schutz menschlichen Lebens (Art. 38), die Achtung und den Schutz der Menschenwürde (Art. 30) und Diskriminierung (Art. 32). Die Vorsitzende des Verfassungsgerichts, Julia Przylębska, begründete die Entscheidung folgendermaßen: „Ein Gesetz, das eugenische Praktiken legalisiert und gegen den Lebensschutz verstößt, indem es das Recht auf Leben von der Gesundheit des ungeborenen Kindes abhängig macht, ist mit der polnischen Verfassung unvereinbar“. Maria Kurowska, Abgeordnete der Regierungskoalition Vereintes Polen, zeigt sich zufrieden mit der Entscheidung und bekräftigt, dass „man ein Kind nicht töten kann, weil es krank ist“, obwohl nur wenige in der „modernen“ Welt, in der der Euthanasiegedanke immer mehr Befürwortung findet, diesen Gedanken teilen.
Nicht lebenswertes Leben gibt es nicht
In Polen wurden bisher etwa 98% der Abtreibungen aufgrund der gesundheitlichen Schäden des Fötus durchgeführt; gemäß geltendem Recht ist eine Abtreibung noch immer bei Vergewaltigung, Inzest oder Lebensgefahr für die Mutter zulässig. Ohne ein Todesurteil auszusprechen, welches man nicht per Gesetz verordnen kann, bekräftigt Polen daher heute nachdrücklich, das Leben als wertvollstes Gut zu schützen: und zwar jedes Leben, unabhängig von Zustand und Merkmalen, denn es gibt kein Leben, das nicht lebenswert ist. In diesem Sinne äußerte sich auch der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz, Msgr. Stanisław Gądecki: „Jeder Mensch guten Gewissens ist sich bewusst, dass es eine beispiellose Barbarei ist, einem Menschen das Recht auf Leben zu verweigern, insbesondere wegen seiner Krankheiten“, und fügte hinzu, dass die betroffenen Kinder und ihre Familien „von besonderer Freundlichkeit und echter Aufmerksamkeit von Seiten des Staates, der Gesellschaft und der Kirche umgeben“ sein müssen.
Das wirkliche Drama jener Familien, die Kinder mit schweren Erkrankungen und Missbildungen haben, besteht in der Tat „in der fehlenden Unterstützung durch den Staat, dem Mangel an Hilfsangeboten zur Bewältigung des Alltags sowie der sozialen Ausgrenzung der ganzen Familie, die zunehmend marginalisiert und an den Rand der Gesellschaft gedrängt wird […] Einer Familie zu helfen, bedeutet ein Kind zu retten“, so der Präsident von Pro Vita e Famiglia, Toni Brandi.
Kohärenz Polens vs. Kohärenz der Abtreibungsbefürworter (Kindermörder)
Selbstredend ließen „empörte“ Reaktionen nicht lange auf sich warten, allen voran die der Menschenrechtskommissarin des Europarates, der Bosnierin Dunja Mijatović, derzufolge dies „ein trauriger Tag für die Rechte der Frauen“ sei. Grzergorz Schetyna, ehemaliger Vorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP), ist sogar soweit gegangen, Polen als „Hölle für Frauen“ zu bezeichnen. Auch Organisationen wie Amnesty International, Center for Reproductive Rights und Human Rights Watch verschaffen sich Gehör, indem sie in einer gemeinsamen Erklärung das Urteil als „das Ergebnis eines systematischen und koordinierten Angriffs polnischer Parlamentarier auf die Rechte der Frau“ bewerten, „dessen Ziel es ist, Abtreibung in Polen ganz zu verbieten. Stattdessen sind Frauen gezwungen, illegal abzutreiben oder ins Ausland zu reisen, um dort Abtreibungen vornehmen zu lassen.”
Ebenso wenig ändern die Abtreibungsbefürworter ihre Taktik, sondern verstecken sich hinter fadenscheinigen Statistiken zu heimlichen Abtreibungszahlen, blind für jede andere Alternative: als ob die einzige Möglichkeit, eine fragile Schwangerschaft anzugehen, darin bestünde, das „Ergebnis der Befruchtung” so einfach wie möglich zu beseitigen. Andererseits wurde bereits hinreichend nachgewiesen, dass Abtreibungsbefürworter Recht haben und es keinen Unterschied zwischen Abtreibung und Kindsmord gibt, was sie selbst in Theorie und Praxis belegen: Bei einem Fötus und einem Neugeborenen handelt es sich um exakt das gleiche Individuum, nur in unterschiedlichen Phasen ihrer Entwicklung.
In einigen Ländern wie beispielsweise Neuseeland werden sogar Neugeborene, die die eigene Abtreibung überleben – diese ist dort übrigens bis zum neunten Schwangerschaftsmonat möglich – zum Tode verurteilt, anders gesagt: Kindsmord wird de facto legalisiert. Das ist ganz folgerichtig: Es gibt keinen Grund, warum ein Leben an Wert gewinnen sollte, bloß weil es den Geburtskanal durchquert hat.
Ebenso kohärent ist die Polnische Republik in ihrer Verfassung, die „allen auf ihrem Staatsgebiet den umfassenden Schutz des Lebens, der Freiheit und des Eigentums garantiert, ungeachtet ihrer Nationalität, Zugehörigkeit, Sprache, Rasse und Religion“. Damals, 1921, schien es offenbar nicht notwendig, das Wort „Gestationsalter“ hinzuzufügen.
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