Die Republik Namibia ist ein dünn besiedeltes Land im südlichen Afrika. Mit 2,7 Millionen Einwohnern bzw. 3,3 Einwohnern pro Quadratkilometer rangiert es hinsichtlich der Bevölkerungsdichte weltweit an zweiter Stelle. Die Namib-Wüste und die Kalahari-Wüste bedecken einen großen Teil der Landfläche.
Die Bevölkerungswachstumsrate liegt in Namibia für das Jahr 2020 bei rund 2%, gleichauf mit Kongo, Senegal und Ägypten. Oder aber mit Saudi-Arabien und Luxemburg, wo natürlich ein erheblicher Unterschied vorliegt, z. Bsp. was das Pro-Kopf-Einkommen anbelangt.
Namibia ist einer der jüngsten Staaten des afrikanischen Kontinents: Von 1884 bis 1919 war es eine Kolonie des Deutschen Kaiserreiches und hieß Deutsch-Südwestafrika, bis 1961 war es als Teil der Südafrikanischen Union der britischen Krone unterstellt, danach war es eine Provinz der Republik Südafrika bis es 1990 die Unabhängigkeit erlangte.
Das Gesetz zu Schwangerschaftsabbruch und Sterilisation (Abortion and Sterilisation Act 2 of 1975 RSA), das immer noch in Kraft ist und den Zugang zu Abtreibung regelt, ist ein Überbleibsel aus der südafrikanischen Regierungszeit (in Südafrika wurde es übrigens 1996 aufgehoben). Es erlaubt den freiwilligen Schwangerschaftsabbruch, wenn die körperliche und/oder geistige Gesundheit der Mutter gefährdet ist, wenn das Risiko einer schweren und irreversiblen Behinderung des ungeborenen Kindes besteht oder wenn die Schwangerschaft die Folge von Vergewaltigung oder Inzest ist. Es gibt wahrlich jede Menge Gründe, eigentlich schon viel zu viele.
Aber offensichtlich nicht genug: So hat beispielsweise HEARD, eine der südafrikanischen Universität von KwaZulu-Natal angegliederte Organisation für angewandte Forschung, in den Jahren 2015-2016 mit dem üblichen Argument zu den Risiken einer „unsicheren Abtreibung“ Studien und Broschüren in Umlauf gebracht, in denen man beklagt, dass in dem afrikanischen Land eine Abtreibung „auf Verlangen“, als Menschenrecht postuliert, nicht ohne Weiteres verfügbar sei.
Erst kürzlich, Ende Oktober, hat die namibische Regierung eine Anhörung zum Abtreibungsgesetz abgehalten infolge lautstarker Forderungen sowohl im Plenum als auch in den sozialen Medien von Seiten der stellvertretenden Gesundheitsministerin Esther Muinjangue, der Menschenrechtsanwältin und Sonderberaterin für Afrika bei den Vereinten Nationen Bience Gawanas sowie von Pro-Choice-Aktivistengruppen wie SheDecides und Voices for Choices and Rights Coalition (VCRC).
Das aktuelle Gesetz gilt als zu restriktiv. Während der öffentlichen Anhörungen erklärte der geschäftsführende Direktor des Ministeriums für Gesundheit und Soziales, Ben Nangombe, auf der Website der Zeitung Namibian Sun und auf seinem Twitter-Profil, das Ministerium sei „der Ansicht, dass die derzeitige Abtreibungsgesetzgebung veraltet ist und überarbeitet werden muss. Eine neue Gesetzgebung, die den örtlichen Verhältnissen Rechnung trägt, ist notwendig“.
Das Thema wird in einem Artikel in The Telegraph vom 2. November ausführlich behandelt. Dort heißt es: „[…] Eine Änderung der Gesetzgebung könnte jedoch noch mindestens ein Jahr auf sich warten lassen. An die nationale Debatte werden sich regionale öffentliche Anhörungen zum Thema Abtreibung anschließen, nach deren Abschluss ein Bericht erstellt und dem Parlament vorgelegt wird“. Man scheint sehr zu bedauern, dass das Gesetz nicht auf der Stelle gekippt wird.
In der Tat scheint der Telegraph die Stimmen im Land zu unterstützen, die Benins jüngste Entscheidung zur Abtreibungslegalisierung mit einem langen Applaus feierte.
Die britische Zeitung schließt sich vor allem der Meinung an, das geltende namibische Gesetz als ein Überbleibsel von Patriarchat, Religion und Apartheid zu betrachten.
Jawohl, Apartheid. Denn so schreibt die Autorin des Artikels, Sarah Newey: „Der Abortion and Sterilisation Act 1975 wurde laut Historikern eingeführt, um weiße Frauen daran zu hindern, Schwangerschaften abzubrechen, von der Hysterie erfasst, die schwarze Bevölkerung könne in der Überzahl sein.“
Es ist logisch und offensichtlich, dass ein Gesetz, egal welches, nicht nur schlecht, sondern sogar abscheulich ist, wenn es mit einer tragischen Politik der Rassentrennung zum Nachteil ganzer Bevölkerungsgruppen kombiniert, verbunden, verwickelt und kompromittiert wird. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass es ebenfalls abscheulich wäre, den Zugang zur Abtreibung bis hin zur Abtreibung „auf Verlangen“ auszuweiten. Abgesehen davon, dass man dadurch die Opfer der Apartheid nicht entschädigt würde, würde man außerdem ein unveräußerliches, unantastbares und nicht verhandelbares Recht verletzen, nämlich das Recht auf Leben.
Ndiilokelwa Nthengwe, Mitbegründerin der selbsternannten Pro-Choice-Organisation Voices for Choices and Rights Coalition, erklärte gegenüber dem Telegraph: „Langsam entfernen wir die Überbleibsel der Kolonialzeit und Apartheid aus unserer Verfassung… um eine wirklich gleichberechtigte und gerechte Gesellschaft für alle Namibier zu schaffen. […] Konkret bedeutet dies, dass wir uns endlich mit Gesetzen auseinandersetzen, die seit Jahren zur Unterdrückung von Frauen, heranwachsenden Mädchen und nicht geschlechtskonformen Personen eingesetzt werden.“ Eine „gleichberechtigte und gerechte Gesellschaft“ für alle Namibier, außer für die im Mutterleib befindlichen Babys. Für sie gibt es weder Gleichberechtigung noch Gerechtigkeit.
Discussion about this post