Who wants to live forever? Euthanasie vs. Unsterblichkeit

Der Kurzschluss der Intelligenz: Sinn und Zweck bleiben auf der Strecke

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Ist es wirklich möglich, dass der Mensch – ein beseeltes Wesen, das zu rationalem Handeln fähig ist, wie der schottische Philosoph Alasdair MacIntyre in seinem Buch Dependent Rational Animals darlegt – imstande ist, zeitgleich und voller Überzeugung derart widersprüchliche Ziele zu verfolgen, die ein nicht-rationales Tier, wenn es absurderweise dazu fähig wäre, niemals auch nur im Entferntesten in Betracht ziehen würde?

Und doch geschieht es. So engagieren sich die Menschen, ob auf parlamentarischem Wege oder per Volksentscheid, für immer einfachere und großzügigere Möglichkeiten, um den so genannten „guten Tod“ zu verwirklichen, der nichts mit dem griechischen kalòs thànatos, dem Heldentod im Kampf, zu tun hat. Vielmehr ist die Euthanasie genau das Gegenteil davon. Dank der semantischen Umkehrung wird aus dem „Guten“ (im Griechischen εὗ) des „Todes“ (ϑάνατος) ein Akt der Kapitulation angesichts eines unhaltbaren Lebens, wobei das Urteil darüber, was das Leben für jeden Einzelnen „unhaltbar“ machen könnte, unhinterfragt bliebt. Gleichzeitig verkündet die „Wissenschaft“ mit großem Enthusiasmus: „In 17 Jahren werden wir unsterblich sein“. Untertitel: „Wissenschaftliche Studien und Experimente gehen weiter, um uns diese lästige Unannehmlichkeit namens Tod zu ersparen“.

Alchemie und Wissenschaft

Andererseits ist Harry Potter sicher nicht der erste, der sich für den Stein der Weisen interessiert, das Lebenselixier, das Heilmittel für Krankheiten und die Quelle der Allwissenheit, der es sogar ermöglicht, beliebiges Metall in Gold zu verwandeln, so dass für den Lebensunterhalt des glücklichen Besitzers für die unendliche Dauer seiner Existenz gesorgt ist. Die moderne Wissenschaft hat die antike Alchemie abgelöst, aber das erklärte Ziel bleibt dasselbe: Nicht durch Magie, sondern durch den Einsatz „wissenschaftlichen“ Verstandes verlangt und sucht der Mensch die Überwindung seiner selbstbestimmten Natur. Nach Ansicht der modernen Wissenschaft wird diese „lästige Unannehmlichkeit namens Tod“ – der letzte Feind, den es zu bekämpfen gilt – durch „das Altern verursachende genetische Schalthebel“ bestimmt. Diese Schalthebel könnte man austricksen – bei Würmern scheint es zu funktionieren – um, wenn schon nicht die Unsterblichkeit, so doch zumindest eine deutliche Verlängerung der Lebensspanne zu erreichen. Derartige wissenschaftliche Erforschungen bringen wichtige Erkenntnisse hinsichtlich biologischer Mechanismen und könnten sich als äußerst nützlich für die menschliche Gesundheit erweisen, besonders bei die Bekämpfung von degenerativen Krankheiten.

Auch der elfjährige Laurent Simons, der kürzlich sein Physikstudium mit Auszeichnung abgeschlossen hat, hat sich die Unsterblichkeit zum Ziel gesetzt: „Ich habe vor, so viele Körperteile wie möglich durch mechanische Komponenten zu ersetzen. Der Weg dorthin führt über die Quantenphysik, die Lehre von den kleinsten Teilchen. Das ist das erste Teil des Puzzles.“

Pseudowissenschaft und Science-Fiction

Doch neben der Erforschung der Gene, die das Altern verursachen, versucht man, dem Tod auch ein Schnippchen zu schlagen, indem man „Körperteile klont und  sie im Laufe der Zeit gegen die ‚ausgedienten’ Teile austauscht. Oder indem man den Stoffwechsel mit Hilfe der Kryotechnik stoppt und dann anhand von Mikrorobotik zelluläre Reparaturen durchführt, so dass alle Bestandteile, die in unserem Körper altern und sich abnutzen, wiederhergestellt werden“. Die Initiative 2045 – ein Projekt des russischen Milliardärs Dmitry Itskov – zielt darauf ab, „Technologien zu entwickeln, die eine Übertragung der menschlichen Persönlichkeit auf einen fortschrittlicheren nicht-biologischen Vektor ermöglicht mit dem Zweck das Leben zu verlängern und letztendlich Unsterblichkeit zu erlangen“. Schritt für Schritt will die an diesem Projekt beteiligte wissenschaftliche Gemeinschaft Avatare erschaffen, d.h. perfekte Nachbildungen des menschlichen Körpers versehen mit künstlicher Intelligenz, in welche dann die Persönlichkeit des Menschen hochgeladen werden kann. Ziel ist es, bis zum Jahr 2045 sämtliche „biologische Körper“ zu eliminieren, so dass der Mensch nur noch auf digitaler Ebene überlebt. Ein solches Szenario entwarf und beschrieb Isaac Asimov (1920-1992) bereits 1956 in seiner Science-Fiction-Erzählung Wenn die Sterne verlöschen.

Wer will schon ewig leben?

Erneut ist es Asimov, der mit Genialität und Weitsicht die Trugschlüsse aufdeckt, die bei der Betrachtung von Leben und Tod entstehen. Er zeigt die Unfähigkeit auf, den Wert des Menschen als solchen zu erkennen, unabhängig von der Qualität oder der Dauer des gelebten Lebens. In seiner Erzählung Der 200 Jahre Mann – berühmt geworden durch den gleichnamigen Film, der aber dem literarischen Vorbild nicht gerecht wird –  erreicht der positronische Roboter Andrew, der erstaunliche künstlerische und intellektuelle Fähigkeiten besitzt, sein höchstes Ziel in einer zweihundertjährigen Entwicklung: Er wird offiziell als Mensch anerkannt. iFamNews hat Andrews Geschichte erzählt. Wir werden im Folgenden die wichtigsten Punkte für all jene – hoffentlich wenigen – Leser, die sie verpasst haben, noch einmal zusammenfassen: Das letzte Hindernis für die öffentliche Anerkennung der Menschlichkeit des Roboters ist in der „Unverweslichkeit“ seines künstlichen Gehirns bedingt. Aus diesem Grund geht Andrew bis ans Äußerste und macht aus seinem potenziell unzerstörbaren Gehirn ein Organ, das sich nach und nach unumkehrbar abnutzt und dessen Lebensdauer begrenzt ist. Als er zum letzten Mal die Augen schließt, hat Andrew – voller Stolz sein Ziel erreicht zu haben – eine Vision von Little Miss, der jüngsten Tochter der Familie, der der Roboter die ersten Jahre seiner Existenz gedient hatte. Im Anblick des Menschen, den der Roboter immer geliebt hatte und der den Ursprung seines Wunsches zum „Menschwerden“ darstellt, erhält man die Frage auf die Antwort, die Asimov dieser Geschichte zugrunde gelegt hat: Was ist es, das Andrew in der Menschheit sieht, das ihn derart fasziniert, dass er sogar den Tod hinnimmt?

Was hat der Mensch, ist er doch in der Lage, den Tod zu überwinden, aber nicht indem er ihn austrickst, sondern indem er ihn überwindet? Wir brauchen keine Technologie – sie ist zwar nützlich, aber niemals entscheidend – sondern Bezeugungen von Hoffnung: Es gibt etwas, für das es sich lohnt zu leben, zu kämpfen und sogar zu sterben. Selbst ein Roboter hat das verstanden.

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