In knapp einem Monat beginnen in Tokio die Olympischen Spiele, die aufgrund der CoViD-19-Pandemie um ein Jahr verschoben worden waren. Bei den diesjährigen Spielen wird es ein Novum geben, nämlich die Teilnahme von biologisch männlichen Athleten an weiblichen Wettbewerben. Der erste zugelassene Sportler ist der Neuseeländer Laurel Hubbard, der als Gavin auf die Welt kam. Er wird in Tokio am 2. August sein Debüt geben, wenn er im Gewichtheben der Klasse bis 87 kg antritt. Mit seinen 43 Jahren wird er der älteste Athlet in diesem Wettbewerb sein. Der Sohn des ehemaligen Bürgermeisters von Auckland hatte bis 2013 recht erfolglos an Männerwettkämpfen teilgenommen. Die Kehrtwende kam nach seiner Geschlechtsangleichung: Er holte sich mehrere Auszeichnungen, darunter Silber bei den Weltmeisterschaften 2017 und Gold bei den Pacific Games 2019.
Der Testosteron-Betrug
Der Durchbruch für Transgender-Athleten geht auf das Jahr 2016 zurück. Im Januar jenen Jahres entschied das Internationale Olympische Komitee (IOC), dass Männer, die an Wettbewerben des anderen Geschlechts teilnehmen wollen, sich keiner Operation unterziehen brauchen, sondern lediglich ihren Testosteronspiegel senken müssen. Die Entscheidung wurde jedoch durch eine in Sports Medicine veröffentlichte Studie gekippt, über die die britische Zeitung The Guardian berichtete: Die Forscher fanden heraus, dass der Verlust an Körpermagermasse, Muskelmasse und Kraft nach zwölfmonatiger Einnahme von testosteronsenkenden Medikamenten nur 5 % beträgt. Selbst wenn, so die Studie, die Testosteronproduktion in signifikanter Menge unterdrückt wird, d.h. um ein Nanomol pro Liter (nmol/L), wird „der anthropometrische Vorteil von Muskelmasse/Muskelkraft nicht signifikant“ verringert.
Ein Schlag ins Gesicht für alle Athletinnen
Hubbards Erfolge in Frauenwettbewerben beweisen, dass die körperliche Überlegenheit eines männlichen Athleten durch die Absenkung des Testosteronspiegels nur geringfügig eingeschränkt wird. Hubbards Teilnahme am Frauenwettbewerb bei den Spielen in Tokio wurde vom neuseeländischen Olympischen Komitee mit Begeisterung aufgenommen. Die Präsident Kereyn Smith erklärte: „Wir pflegen eine starke Kultur des Manaaki, bei der es um Inklusion und Respekt für alle geht.“ Schade, dass diese exotisch klingende Kultur in diesem Fall nicht die spöttische Bitterkeit bedenkt, die unweigerlich über die Athletin hereinbrechen wird, die nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen kann, da ein biologisch männlicher Athlet ihren Platz eingenommen hat.
„Schlechter Witz“
Nach Berichten von La Verità handelt es sich bei der aufgrund von Hubbards Nominierung ausgeschlossenen Athletin um Kunini Manumua aus Tonga. Es scheint keine öffentliche Reaktion ihrerseits zu geben. Hingegen hat sich die belgische Gewichtheberin Anna Vanbellinghen deutlich zu Wort gemeldet. Sie sprach von einem „schlechten Witz“ und betonte, wie unfair es sei, dass „einigen Athletinnen eine im Leben einmalige Gelegenheit vorenthalten wird und wir hilflos zusehen müssen“. In die gleiche Kerbe schlug der Premierminister von Samoa, Tuilaepa Sa’ilele Malielegaoi: „Es ist für weibliche Athletinnen schwer, nach einer langen Trainings- und Vorbereitungsphase mitanzusehen, dass so ein Blödsinn erlaubt wird.“
Mundtote Frauen
Da kommt einem in den Sinn, was die ehemalige neuseeländische Gewichtheberin Tracey Lambrechs vor einigen Wochen enthüllte: Frauen werden aufgefordert, „den Mund zu halten“, sollten sie es wagen, die Rechtmäßigkeit von Hubbards Teilnahme an Frauenwettkämpfen anzuzweifeln. Seltsam dieser Modus Operandi, wo doch so viel von Emanzipation der Frauen die Rede ist. Lambrechs zufolge macht sich unter den Sportlerinnen Frust breit, doch besteht keine Möglichkeit, diesen nach außen durchdringen zu lassen.
Der Brief der kanadischen Athletin
Es tut sich jedoch etwas. Die ehemalige kanadische Leichtathletik-Meisterin Linda Blade schrieb kürzlich einen Brief an das IOC – der von FeministPost aufgegriffen wurde – worin sie sich darüber beschwert, dass die Entscheidung, Trans-Athleten zu Frauenwettbewerben zuzulassen, „ohne vorherige umfassende Debatte und ohne Benachrichtigung der Betroffenen“, sprich der Athletinnen, getroffen worden sei. Blade spricht von einer „skandalösen und unfairen“ Entscheidung und führt eine Reihe von Studien an. Diese belegen die körperliche Überlegenheit von männlichen Sportlern, wenn sie gegen Frauen antreten, selbst wenn sie ihren Testosteronspiegel abgesenkt haben.
Sie fügt hinzu: „Niemand will, dass man sich an die Olympischen Spiele 2020 in Tokio als den ‚historischen’ Moment erinnert, an dem lächerlicher- und beschämenderweise ein Mann das olympische Podium betritt, auf dem eigentlich eine Frau stehen müsste.“ Daher ihr Appell an die Medien, die Fehlentscheidung des IOC publik zu machen. Wer weiß, ob andere Medien sich anschließen und den Appell aufgreifen werden, um so den Frauen eine Stimme zu geben. Oder ob nicht die Alternative bevorzugt wird, den Protest der Frauen im Keim zu ersticken.
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