Last updated on September 8th, 2021 at 01:11 am
Der Widerstand gegen den Grünen Pass zieht sich wie ein unterirdischer Strom durch die italienische Gesellschaft. Er ist breit aber noch immer verborgen, obwohl einige Strömungen begonnen haben, an die Oberfläche zu treten: zuerst die Sammelklage des Schulpersonals, dann der aufkeimende Protest zahlreicher Universitätsstudenten und zuletzt eine an den Präsidenten der Republik, Sergio Mattarella, gerichtete Online-Petition mit dem vielsagenden Titel „Grüner Pass: Gründe Nein zu sagen“. In einer Zeit zunehmender Spaltung der italienischen Gesellschaft ist diese Initiative ein Zeichen übergreifender Einigkeit. Juristen, Ärzte, Intellektuelle, Hochschullehrer, Künstler und Unternehmer verschiedener kultureller Richtungen haben sich dem von der Zivilrechtlerin Olga Milanese und dem Schriftsteller Carlo Cuppini initiierten Aufruf angeschlossen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels lag die Zahl der gesammelten Unterschriften bei fast 30.000.
[Update: am 7. September, einige Tage nach Erstveröffentlichung des Artikels, zählt die Petition bereits über 50.000 UNterschriften!]
Die Anfänge
Wie Milanese gegenüber iFamNews erklärte, „war seit dem Erlass des Dekrets Nr. 52 vom 22. April letzten Jahres klar, dass die Umsetzung des Grünen Passes nach und nach immer umfassender und tiefgreifender werden würde, bis hin zur Einschränkung der Grundrechte der Bürger. Dies ist ein klarer Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichheit und Nichtdiskriminierung, welche die Eckpfeiler unseres Rechtssystems, aber auch der Europäischen Union sind.“ Das Gesetzesdekret vom 6. August hat diese Befürchtungen bestätigt, betont die Juristin. Daraus folgte der Entschluss, etwas unternehmen zu müssen. „Mit dem Schriftsteller Carlo Cuppini“, erklärt sie, „haben wir beschlossen, eine Reihe von Aktionen zu starten, um die Aufhebung dieser Maßnahmen zu erreichen.“
Positive Resonanz
Milanese ist mit der Resonanz auf die Aktion zufrieden. „Die Online-Petition“, sagt sie, „wurde zur zusätzlichen Unterstützung unseres Protestschreibens ins Leben gerufen, doch haben wir nicht mit einer so starken Beteiligung gerechnet. In weniger als vier Tagen haben wir fast 30.000 Unterschriften gesammelt, und das obwohl die Petition mitten in den Sommerferien lanciert wurde.“ Die Juristin weist darauf hin, dass „diese Aktion im Gegensatz zu anderen ähnlichen Petitionen von gewöhnlichen Bürgern ins Leben gerufen wurde“, aber schon bald die Unterstützung vieler bekannter Persönlichkeiten fand wie des Philosophen Giorgio Agamben, des emeritierten Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs Paolo Sceusa, des ehemaligen Direktors des TV-Senders Raidue Carlo Freccero, des Dichters Marco Guzzi, der Juristen Ugo Mattei, Fabrizia Bagnati, Augusto Sinagra, der Schriftsteller Vitaliano Trevisan und Franco Bifo Berardi sowie des Chirurgen Paolo Bellavite, um nur einige zu nennen.
Die Delegitimierung Andersdenkender
Eines der Ziele der Initiative ist es, eine Debatte in der Zivilgesellschaft zu entfachen, die bisher durch eine Art konditionierten Reflex, der in der öffentlichen Meinung gegenüber kritischen Stimmen herrscht, behindert wurde. „Das Label ‚Impfgegner’, das jedem verpasst wird, der eine kritische Position zur CoViD-19-Politik vertritt, zielt ganz klar darauf ab, abweichende Meinungen zu delegitimieren und die Aufmerksamkeit von extrem wichtigen Themen abzulenken“, meint Milanese. „Zwar hat die Praxis, die Meinung von Kritikern und Zweiflern zu ‚brandmarken’, um sie an den Rand zu drängen und zu isolieren, eine gewisse Wirkung auf all jene, die sich auch sonst nur oberflächlich mit Gesellschaftsthemen befassen, jedoch sind wir zuversichtlich, das öffentliche Bewusstsein wecken zu können, indem wir an die Vernunft, die Ernsthaftigkeit, das Gewissen und die Kompetenz unserer Unterstützer appellieren“, ergänzt sie.
Das Ziel
Anwältin Milanese ist davon überzeugt, die Petition könne „den Zerfall der Rechts- und Vernunftzivilisation unterbrechen und die verletzten Rechte und Freiheiten wiederherstellen; diese sind gewiss nicht Ausdruck individuellen Egoismus, sondern hartumkämpfte Errungenschaften der Menschheit für die Menschheit“. Sie hofft, „die zahlreichen involvierten Akteure aus Literatur, Rechtswesen, Wissenschaft, Wirtschaft, Kunst und Kultur können dazu beitragen, den juristischen Diskurs auf die Bereiche der Ethik, Philosophie und Politik auszudehnen, wobei letztere als die „Kunst“ der Regelung des öffentlichen „Lebens“ nach den Grundsätzen von Gleichheit und Gerechtigkeit zu verstehen ist“.
Der Zweck heiligt nicht die Mittel
Die Anwältin ergänzt: „Wir sind uns der gegenwärtigen Notlage bewusst, aber wir sind auch davon überzeugt, dass man die Situation mit der größtmöglichen Achtung des Gesetzes und unbeschadet der Einheit der nationalen Gemeinschaft bewältigen muss“. Schließlich erinnert sie daran, dass „in einem demokratischen Staat, der auf Anerkennung der immateriellen Menschenrechte gegründet ist, der Zweck nicht alle möglichen Mittel heiligen kann, am allerwenigsten Diskriminierung und den unweigerlich daraus folgenden sozialen Hass“.