Viktor Orbán wehrt sich gegen lesbisches Aschenputtel und transsexuellen Drachen

Märchenbuch mit LGBT+-Figuren sorgt in Ungarn für Kontroverse

Nicht überall herrschen die gleichen Sitten. Unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind die Herangehensweisen in Bezug auf Grundwerte derart verschieden, dass sich die vielgepriesene Förderung gemeinsamer Werte als Schimäre entpuppt. Zur Erläuterung ein Beispiel: Während in Italien die Regierungsmehrheit beabsichtigt, per Gesetz eine Art LGBT+-Feiertag an Schulen zu verabschieden, errichtet im nicht weit entfernten Ungarn der Premierminister Viktor Orbán eine immaterielle Barriere angesichts des Versuchs, Kindern mithilfe eines exzentrischen Märchenbuchs die Gender-Ideologie einzutrichtern.

Veröffentlichung des Buches

Unlängst ist die öffentliche Meinung des Landes auf dieses Thema aufmerksam geworden. Am 21. September veröffentlichte der Verlag Labrisz Leszbikus Egyesület das Buch Meseország Mindenkié, zu Deutsch: Die Welt der Märchen für alle. Es handelt sich um eine Zusammenstellung traditioneller Märchen, die in „inkludierender“ Sprache, oder besser gesagt „politisch korrekter“ Lesart überarbeitet wurden. Märchenprinzen und keusche Hofdamen, lebet wohl! An ihrer Stelle findet man nun als neue Hauptfiguren ein lesbisches Aschenputtel und einen transsexuellen Drachen – neben weiteren Vertretern anderer Minderheitengruppen. Der Verleger sagte, es sei das erste Kinderbuch zum Thema LGBT+ in ungarischer Sprache: „Wir wollten jenen eine Stimme geben, die keine haben“.

Die Kontroverse

Die Idee, diese „Stimme“ könne Kindern Gender-Botschaften einflüstern, fand jedoch keinen Anklang. Bereits 90.000 Ungarn haben sich der Petition von CitizenGo angeschlossen, welche Buchläden dazu auffordert, die Märchensammlung aus dem Verkauf zu nehmen. Auch die Aktion von Dúró Dóra, Abgeordnete und Vizevorsitzende der nationalistischen Partei Mi Hazank Mozgalom („Unsere Heimat-Bewegung “) sorgte für heftige Diskussionen, als sie vor laufender Kamera Seiten aus dem Buch herausriss. „Nein zu homosexueller Propaganda, der unsere Kinder ausgesetzt werden“, donnerte sie. Auf der gleichen Wellenlänge liegt Lénárd Borbély, Bürgermeister des Budapester Stadtbezirks Csepel. Auf Facebook postete er, er habe das Buch in allen Kindergärten und Kitas seines Bezirks verboten. Überzeugend schloss er die Botschaft mit den Worten: „Lasst unsere Kinder in Ruhe!“

Reaktion der Regierung

Ein Mitglied der Kommunalverwaltung und Angehöriger der Regierungspartei Fidesz zeigte sich empört über die bloße Vorstellung, ein solches Buch könne womöglich in einer Schule landen. Seine Sorge scheint nicht abwegig. Die liberale Partei Momentum (die bei den Europawahlen 2019 auf dem dritten Platz landete) will anscheinend Pflichtkurse zur Geschlechtserziehung in Kindergärten einführen, die unter dem Banner des Regenbogens stehen. Die Angelegenheit ist bis in die oberste Parteiebene vorgedrungen. Gergely Gulyás, Amtsminister des Ministerpräsidenten, gab dazu folgende Stellungnahme ab: „Wie man seine Sexualität auslebt, ist Privatsache und jedem selbst überlassen, doch gibt es ein Limit: homosexuelle Propaganda gegenüber Kindern ist nicht erlaubt“. Diese Aussage steht in Einklang mit den Worten von Premierminister Orbán: „Ungarns Gesetze zur Homosexualität beruhen auf einem äußerst toleranten und geduldigen Ansatz. Aber es gibt eine Grenze, die nicht überschritten werden darf: Lasst unsere Kinder in Ruhe.“

Anti-Gender-Politik und Drohungen

Ungarns Widerstand gegen das Vorhaben, eine Gender-Ideologie einzuführen, verwundert nicht. Im Mai beschloss das ungarische Parlament, die Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen nicht zu ratifizieren. Das besagte Dokument, das den Begriff Geschlecht eher in sozialem als biologischem Sinne interpretiert, widerspricht der ungarischen Verfassung, insofern diese die Ehe als Vereinigung von Mann und Frau festschreibt. Im vergangenen Frühjahr wurde zudem eine Gesetzesänderung verabschiedet, in der Gender als „biologisches, auf Geburt und Genom basierendes Geschlecht“ definiert wird. In einem Aspekt jedoch gleichen sich alle überall auf der Welt: nämlich in der Gewaltbereitschaft gewisser Gruppen. So haben sowohl die Verfasserin der Petition von CitizenGo als auch die Abgeordnete, die Seiten aus dem Gender-Märchenbuch herausgerissen hat, anonyme Drohungen erhalten. „Die Intoleranz der Toleranten“ ist überall dieselbe.

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