Das Urteil des Obersten Berufungsgerichts vom 28. Oktober hat zwar für Aufmerksamkeit aber kein großes Aufsehen gesorgt. Kurz zusammengefasst: Das höchste Gericht der italienischen Justiz, das die für alle Richter verbindlichen Rechtsgrundsätze vorgibt, hat entschieden, dass sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und Minderjährigen gefilmt und fotografiert werden dürfen, sofern beide damit einverstanden sind und das Video- und Bildmaterial nicht veröffentlicht wird. Einige, aber nicht viele Menschen haben ihre Fassungslosigkeit darüber zum Ausdruck gebracht. Zu ihnen gehört Maria Spena, Abgeordnete der Partei Forza Italia und Hochschullehrerin für Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, die mit iFamNews darüber gesprochen hat.
Frau Spena, wie bewerten Sie die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs?
Ich bin es gewohnt, Urteile zu respektieren, und das werde ich auch in diesem Fall tun. Aber ich kann nicht verhehlen, dass ich einige Bedenken habe. Wir wissen, dass Artikel 600-ter, erster Absatz, des Strafgesetzbuches eine Freiheitsstrafe von 6 bis 12 Jahren und eine Geldstrafe zwischen 24.000 und 240.000 Euro für denjenigen vorsieht, der – ich zitiere – „Minderjährige unter achtzehn Jahren für pornographische Ausstellungen oder Vorführungen oder für die Herstellung von pornographischem Material einsetzt“. Ich glaube, dass der Gesetzgeber mit dieser Regelung auch das Ziel verfolgte, Minderjährige vor den Tücken des Internets und der neuen Technologien zu schützen, insbesondere weil es so leicht ist, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen und das Material im Netz zu verbreiten. Das neue Urteil besagt, dass das Filmen eines sexuellen Akts zwischen einer volljährigen und einer minderjährigen Person als rechtmäßig anzusehen ist, sofern letztere freiwillig zugestimmt hat und die Verwendung des gefilmten Materials „ausschließlich den Teilnehmern des Akts vorbehalten“ ist. Das ist alles schön und gut, aber ich befürchte, dass dies angesichts der einfachen und unmittelbaren Möglichkeit des Austauschs von Daten im Internet und über Apps umgangen werden kann.
Die Nachricht hat in den Medien kaum Beachtung gefunden: Wie erklären Sie sich das?
Abgesehen von der Resonanz des Urteils innerhalb des Kassationsgerichts an sich halte ich es für sinnvoller, darauf hinzuweisen, dass der Kampf gegen Kinderpornografie immer weniger thematisiert wird, obwohl das Phänomen alles andere als rückläufig ist: Die Daten der Postpolizei [eine Sonderabteilung der italienischen Polizei, die sich mit der Aufklärung von Internetkriminalität befasst] zeigen, dass die Online-Verbrechen gegen Kinder und Jugendliche im Jahr 2020 um fast 80 % zugenommen haben. In den ersten vier Monaten des Jahres 2021 hat sich dieser Trend mit einem Anstieg von 70 % bestätigt. Die Pandemie hat einerseits dazu geführt, dass Kinder gefährdeter sind und andererseits das Online-Ködern noch einfacher gemacht, da man mehr Zeit zu Hause verbringt. Wir dürfen jetzt nicht unsere Wachsamkeit im Kampf gegen Kinderpornographie vermindern, sondern müssen sie verstärken, denn unsere Kinder waren noch nie so vielen Gefahren ausgesetzt wie heute.
Was kann man tun, um diese Phänomene einzudämmen?
Ich möchte mit Stolz daran erinnern, dass es der Forza Italia zu verdanken ist, dass der sogenannte revenge porn in Italien als Straftat eingestuft wird. Meine Partei hat einen harten parlamentarischen Kampf geführt, um die Aufnahme in das Codice Rosso-Gesetz [ein spezielles Gesetz zum Schutz von Frauen und schutzbedürftigen Personen vor Gewalt] zu erreichen. Dank dieses Gewaltschutzgesetzes riskiert nun jeder, der Fotos oder Videos mit sexuell eindeutigem Inhalt ohne die Zustimmung der betroffenen Person verschickt, 1 bis 6 Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von 5.000 bis 15.000 Euro. Das Strafmaß erhöht sich, wenn die Straftat vom Ehepartner, auch wenn getrennt lebend, begangen wird und wenn die geschädigte Person schwanger ist oder sich in einem Zustand körperlicher oder geistiger Benachteiligung befindet. In diesem Zusammenhang sei auf die jüngsten Maßnahmen im Rahmen des so genannten Kapazitätsdekrets (Decreto Capienze) hingewiesen, dank derer eine neue Bestimmung in das Datenschutzgesetz aufgenommen wurde: Diese stellt klar, dass sich auch Minderjährige über vierzehn Jahre sowie ihre Familien an den Datenschutzbeauftragten wenden können, um die Verbreitung von Bildern mit sexuellem Inhalt ohne ihre Zustimmung anzuzeigen.
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