Gerade in Zeiten der Pandemie möchten wir in zunehmendem Maße verstehen, welche Faktoren unsere Gesundheit stärken. Dabei dürfen wir die Auswirkungen von Ehe und Familie nicht außer Acht lassen. Viele Untersuchungen haben bereits die nützlichen Vorteile einer Ehe aufgezeigt, beispielsweise leben verheiratete Menschen länger, sind gesünder und haben weniger depressive Symptome als ihre unverheirateten, verwitweten oder geschiedenen/getrennt lebenden Altersgenossen. Eine neue Studie untersucht nun den Zusammenhang zwischen Ehe und körperlicher Leistungsfähigkeit, welche als Schlüsselfaktor für ein gutes Leben im Alter gilt.
Die britischen Forscher betonen, dass es zwar bereits viele Forschungsarbeiten über die Auswirkung der Ehe auf körperliche und geistige Gesundheit gibt, dass aber nur wenige Studien der Wechselbeziehung zwischen Ehe und körperlicher Leistungsfähigkeit nachgehen. Letztere wird dabei als „die Fähigkeit, körperliche Aktivitäten des täglichen Lebens zu bewältigen“ und „ein Schlüsselindikator für gesundes Altern, der nicht spezifisch für eine bestimmte Krankheit ist“, definiert.
Um diesen Zusammenhang besser zu erfassen, wertet das Forscherteam Daten aus den USA und Großbritannien aus, und zwar aus der englischen Longitudinal Study of Ageing (ELSA) und der US-amerikanischen Health and Retirement Study (HRS). Dabei wurden zwei konkrete Beispiele für körperliche Leistungsfähigkeit bewertet: Griffkraft und Gehgeschwindigkeit, mit „besonderem Augenmerk“ auf den Familienstand (mit der Unterscheidung zwischen Erst- und Folgeehe).
Nach Messung einer Reihe von Kovariablen (einschließlich Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, berufliche Stellung, Elternstatus sowie sozioökonomischer Status) ließen sich einige klare Muster erkennen. Bei den Männern „aus der ELSA-Studie hatten verwitwete und nie verheiratete Männer eine schwächere Griffkraft als in Erstehe verheiratete Männer. In der HRS-Studie hatten alle Gruppen unverheirateter Männer eine schwächere Griffkraft als in Erstehe verheiratete Männer“. Dieser Unterschied ist größtenteils auf die bessere sozioökonomische Stellung verheirateter Männer im Vergleich zu ihren verwitweten oder unverheirateten Altersgenossen zurückzuführen (Ehe hat auch einen erheblichen Einfluss auf die Vermögensbildung). Bei den Frauen lagen die Ergebnisse ähnlich, obwohl „ sowohl bei ELSA als auch bei HRS bei Frauen nicht so große Unterschiede in der Griffkraft zwischen den verschiedenen Familienständen verzeichnet wurden wie bei den Männern“. Interessanterweise „besaßen wiederverheiratete Männer eine relativ stärkere Griffkraft als wiederverheiratete Frauen, während verwitwete und unverheiratete Frauen eine relativ stärkere Griffkraft als ihre männlichen Gegenstücke hatten“.
In Bezug auf die Gehgeschwindigkeit stellten die Forscher fest, dass „in beiden Umfragen bei allen unverheirateten Männer eine langsamere Gehgeschwindigkeit gemessen wurde als bei in Erstehe verheirateten Männern“. Auch diese Unterschiede lassen sich zum größten Teil oder zumindest teilweise anhand des sozioökonomischen Status erklären. Bei den Frauen „wiesen unverheiratete Frauen, sowohl bei ELSA als auch bei HRS, eine langsamere Gehgeschwindigkeit auf als in Erstehe verheiratete Frauen; die Miteinbeziehung sozioökonomischer Messwerte, in erster Linie Wohlstand, schwächte diese Assoziation weiter ab“.
Insgesamt kamen die Forscher zu dem Schluss, dass „ein Zusammenhang zwischen Ehe und körperlicher Leistungsfähigkeit im mittleren bis fortgeschrittenen Lebensalter besteht, wobei Unverheiratete eine geringere körperliche Leistungsfähigkeit aufwiesen als in Erstehe verheiratete Gleichaltrige“. Die Forschungsarbeit schließt mit der Bemerkung: „Die Bedeutung von Wohlstand erklärt größtenteils die geringere körperliche Leistungsfähigkeit bei älteren unverheirateten Personen. Dies legt nahe, dass man zur Erhaltung der körperlichen Leistungsfähigkeit und eines unabhängigen Lebens im fortgeschrittenen Alter beitragen kann, indem man unverheirateten Menschen besseren Zugang zu wirtschaftliche Ressourcen ermöglicht“.
Mit anderen Worten: In Ermangelung eines ausgeprägten familiären Geflechts und der Unterstützung durch die Familie ist der Staat wieder einmal gezwungen, einzugreifen, um allen älteren Menschen in den USA bzw. in Großbritannien die gleichen Chancen zuteilwerden zu lassen.
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