Immer mehr Frauen entscheiden sich endgültig gegen Kinder

Ein lebensverneinender menschenfeindlicher Trend: Die neue Childfree-Ideologie setzt auf chirurgische Sterilisation.

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Es gibt heutzutage eine Kategorie von Menschen, die gesellschaftlich messbar und bereits Gegenstand soziologischer und psychologischer Studien ist, die sich mit der Bezeichnung „childfree“ identifiziert, zu Deutsch: frei von Kindern. Frei, weil sie keine Kinder haben und auch keine wollen – und zwar nicht aufgrund körperlicher Beeinträchtigungen oder schwieriger Lebensumstände, sondern infolge einer bewussten Entscheidung.

Denn Kinder verursachen Stress, sind Krankheitsüberträger, sind für den Arbeitsplatzmangel von Frauen und sogar für den Klimawandel verantwortlich. Daher sollten vernünftige Erwachsene, die diese offensichtlichen Tatsachen erkennen, auch verstehen können, dass es besser ist, Kinder in Pizzerien, auf Kreuzfahrten, in Hotels usw. zu vermeiden.

Ist es unmoralisch, sich im Zeitalter des Klimawandels fortzupflanzen?

Kinder zu haben ist übrigens keineswegs eine moralisch neutrale Entscheidung, wie die immer lauter werdenden Forderungen verschiedener amerikanischer Publikationen zeigen: „The Case Against Kids“, The New Yorker (2012); „Should We Be Having Kids in the Age of Climate Change?”, NPR (2016), „We need to talk about the ethics of having children in a warming world“, Vox (2019).

Die Debatte ist eröffnet. Auf der einen Seite stehen die Ökofeministinnen, die zwar selbst Mütter sind, aber keine bessere Lösung als eine Mikrodosis psychedelischer Pilze finden, um die Ängste der Mutterschaft zu bewältigen. Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die gerade noch „rechtzeitig“ vor der globalen (oder vielmehr persönlichen) Katastrophe beschlossen haben, die Gefahr im Keim zu ersticken und einen Schlussstrich zu ziehen. In die Praxis umgesetzt durch drei kleine Einschnitte: zwei am Unterleib und einer knapp über dem Nabel, durch die der Chirurg die Sonde einführen und die Eileiter entfernen kann, so dass die Patientin endgültig und unwiderruflich sterilisiert wird.

Ganz normale Verstümmelungen

Das ist keine Schauergeschichte – Halloween ist bereits vorbei – sondern ein nüchterner, wenn auch bitterer Bericht über die selbst zugefügten Verstümmelungen, die immer mehr junge Frauen bereitwillig auf sich nehmen, um in den Genuss eines kinderlosen Lebens zu kommen, wie eine amerikanische Studie zeigt. Wenn man sich die einzelnen Erfahrungsberichte ansieht, stößt man auf aufschlussreiche Einzelheiten: Diamond, eine 31-jährige TikTokerin und selbsternanntes „Aushängeschild für die Sterilisation“, dachte schon immer, „keine eigene Familie zu gründen […]. Ein Therapeut, den sie einige Monate nach ihrem Uniabschluss online traf, verdeutlichte ihr, dass sie traumatisiert worden war, da sie als Kind den Hintern versohlt bekommen hatte, und dass sie deshalb Angst vor Autoritätspersonen wie ihrem Vater hatte. Sie beschloss, niemals selbst eine Autoritätsperson werden zu wollen. Nie und nimmer.“ Deshalb habe sie sich die Eileiter entfernen lassen, schildert sie ihre Erfahrungen ihren 64.000 Followern.

Isabel, 28 Jahre alt, ist eine bekennende Anhängerin des Antinatalismus und sagt, es sei „moralisch falsch, ein Kind in die Welt zu setzen. […] Denn egal wie gut du als Mutter oder Vater bist, es wird trotzdem leiden“. Eigentlich wollte sie bis zu ihrem 31. Lebensjahr warten, um sich der beidseitigen laparoskopischen Salpingektomie zu unterziehen, die für die Sterilisation notwendig ist. Da Isabel aber in Texas lebt, wo der „Heartbeat Bill“ gilt, „kann ich nicht das Risiko eingehen, schwanger zu werden und nicht abtreiben zu können“. Die Vorbereitungen für die „Sterilisationsparty“ sind bereits im Gange: Es wird mit Sushi und Alkohol gefeiert, als jubelnder Ausdruck des Erfolgs, das eigene Leben nicht „verschwendet“ zu haben.

Ähnlich liegt der Fall bei Darlene Nickell. Die 31jährige – anscheinend ist die Vollendung des dreißigsten Lebensjahres für die „radical child free“ von Bedeutung – versucht bereits seit zehn Jahren, sich die Eileiter entfernen zu lassen: Es scheint nicht einfach zu sein, ein befürwortendes ärztliches Gutachten für eine solche Operation zu erhalten, denn bei „vielen Patienten tritt ein Sinneswandel ein“. Doch die befragten jungen Frauen machen sich darüber offenbar keine Sorgen: Die 25jährige Chelsea aus Sacramento sagt, dass „Babys sie anwidern“, und dass ihre einzigen Bedenken, die sie in Bezug auf die Operation hat, mögliche Infektionen oder Stimmungsschwankungen aufgrund der Narkose sind. „Was sollte ich bitte bedauern?“, fragt sie, „dass ich zu glücklich sein werde? Zu viel Freiheit haben werde?”

Sophia, eine 19-jährige Kommunikationsstudentin, hält eine Sterilisation für viel effizienter als jegliche „zeitlich begrenzte“ Verhütungsmethode: „Ich mache diese Operation nur einmal durch, ruhe mich dann ein paar Tage aus und muss nie wieder daran denken“. Bisher hat Sophia weder eine Beziehung gehabt noch sexuelle Erfahrungen gemacht. Trotzdem macht sie sich keine Sorgen über künftige Zweifel: „Es hat keinen Sinn, etwas zu bedauern, was man nicht ändern kann“, sagt sie und gibt sich damit zufrieden, die Möglichkeit eines zukünftigen Partners, der sehr wohl Kinder möchte, als „Gedankenspiel“ zu bezeichnen. Hingegen reagiert sie genervt, als der Interviewer sie fragt, was sie sich für ihre Zukunft vorstellt: „Es ist ziemlich seltsam, jemanden zu fragen, der neunzehn ist und sein Studium noch nicht abgeschlossen hat, was er aus seinem Leben machen will“. Wichtig ist, die Gewissheit der „Freiheit“ zu besitzen: Was sie damit macht, wird sie später entscheiden.

Unzertrennliche Gefährten: Individualismus und Angst

Was haben diese Frauen, diese Geschichten, gemeinsam? Es sind vor allem zwei Elemente.

An erster Stelle: Angst. Bezeichnend sind insbesondere die Ängste der Befragten: „Angst vor der Schwangerschaft, Angst vor Autorität, Angst vor Präeklampsie (eine Schwangerschaftserkrankung, die zu unerwünschten Folgen für Mutter und Kind führen kann), Angst vor Wochenbettdepressionen“. Sogar Angst vor Rassismus, wie Diamond erzählt, eine weiße Frau mit einem schwarzen Partner: „Ich könnte nicht sagen: ‚Ich verstehe‘, wenn [meine Kinder] von der Schule nach Hause kämen und wegen ihrer Haare oder Hautfarbe schikaniert würden“. Man fragt sich, wie derart verängstigte junge Menschen das Leben bewältigen können – nicht etwa angesichts apokalyptischer oder tragischer Szenarien, sondern angesichts ganz normaler Alltagssituationen, mit denen sie ebenso wie alle anderen Menschen, ob mit oder ohne Kinder, konfrontiert werden. Körperliches Leid, Krankheit, Enttäuschungen, Demütigungen: Kinder zu haben mag die Wahrscheinlichkeit solcher Erfahrungen erhöhen, doch Kinder aus der eigenen Zukunft zu verbannen, schützt einen gewiss nicht vor den schwierigen Herausforderungen des Lebens. Welche weiteren Mauern müssen sie errichten, welche Beschränkungen sich auferlegen, welchen Verzicht werden sie üben, den sie für „ausreichend effizient“ halten, um sich in einem Leben ohne Garantien „sicher“ fühlen zu können?

An zweiter Stelle: Das sich aus einer utilitaristischen Moral ergebende Fazit des Individualismus. Diese jungen Menschen halten an einem ethischen Grundsatz fest, wonach „deine Freiheit dort endet, wo meine beginnt“ und „das Gute mit der Maximierung des Gewinns – im Sinne von Vergnügen, Befriedigung von Vorlieben oder ähnlichem – für die größtmögliche Anzahl von Individuen zusammenfällt“. Dies scheint für sie in der Tat selbstverständlich zu sein und wird nicht weiter in Frage gestellt. Wenn in der Tat Freiheit als totale Handlungsfreiheit im Privatleben verstanden wird, begleitet von sehr strengen Regeln für das Verhalten in der Öffentlichkeit, um jegliches „Vergehen“ gegenüber Dritten zu vermeiden, und wenn der Zweck einer Handlung immer anhand ihrer Folgen für das „Wohlergehen“ der Mehrheit beurteilt wird, dann ist der Individualismus das naheliegendste und in der Tat vernünftigste Ergebnis. Je weniger der Einzelne in die Folgen seines Handelns verwickelt ist, desto eher kann er einem momentanen Impuls nachgeben, ohne dessen Auswirkung auf Andere berücksichtigen zu müssen. Denn was einen der Entscheidungsfreiheit beraubt, der Möglichkeit, das zu tun, was einem gerade in den Kopf kommt, ist doch gerade das zerbrechliche und bedürftige kleine Wesen namens Kind, dem gegenüber man Pflichten eingeht und Verantwortung und Fürsorge übernehmen muss.

Endlich sterilisiert. Und dann?

Es scheint eine beruhigende Vorstellung zu sein, die Wahrscheinlichkeit, sich unlösbar an die Bedürfnisse und Wünsche eines anderen Menschen zu binden, physiologisch zu beseitigen, sobald es keine Hoffnung mehr auf das wirklich Gute gibt. Bleibt das Problem, wie man „seine Zeit“ verbringen kann, frei von der Bürde der Schwangerschaft und Elternschaft: Diamond und ihr Partner haben das Problem gelöst, indem sie Rue, einen anämischen Pitbull „mit speziellen Bedürfnissen“, adoptiert haben. In ihrem kleinen Haus, das voller Star-Wars-Actionfiguren ist, wimmelt es nur so von Zubehör und Spielzeug für das Tier, das das Trauma überwinden muss, „als Kampfhund gezüchtet worden zu sein“. Rue hat Angst vor anderen Hunden und ist für das Ehepaar, um es mit Diamonds Worten auszudrücken, „eine verdammt schwierige Aufgabe“.

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