„Mit ihrem Säkularismus lassen die Linken verfolgte Christen links liegen“

Ein Mitglied des Europäischen Parlaments berichtet vom Widerstand Brüssels, den Europäischen Tag der Religionsfreiheit auszurufen

Es gibt die unterschiedlichsten und ausgefallensten internationalen Gedenktage. Doch gibt es in Europa keinen zum Thema Religionsfreiheit. Die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) versuchte dies in den letzten Tagen im Europäischen Parlament zu ändern, indem sie der Fraktionsvorsitzendenkonferenz den Vorschlag unterbreitete, einen Europäischen Tag der Religionsfreiheit einzuführen. Der Vorschlag wurde jedoch von den liberalen und linken Fraktionen – genauer gesagt von Renew Europe, den Sozialdemokraten, den Grünen und den Linken – nicht akzeptiert. Das erklärte Carlo Fidanza, Europaabgeordneter der italienischen Partei Fratelli d’Italia und Mitvorsitzender der interfraktionellen Arbeitsgruppe für Religionsfreiheit, die den Vorschlag eingereicht hatte, gegenüber iFamNews.

Wie haben die linken Fraktionen ihren Widerstand gegen die Ausrichtung eines Europäischen Tages der Religionsfreiheit begründet?

Sie haben gar keine Gründe gegeben, aber das überrascht uns nicht. Es wird inzwischen als normal angesehen, dass die Linke im Namen eines verzweifelten Säkularismus bei derartigen Themen Gegenposition bezieht. Und ich spreche nicht nur von der post- oder neokommunistischen Linken oder den Grünen, sondern schließe auch jene liberalen Macron-Anhänger ein, die einen wichtigen Kampf gegen den islamischen Separatismus in Frankreich führen. Der von uns vorgeschlagene Gedenktag basiert zudem auf dem Konzept der Religions- oder Glaubensfreiheit und schützt daher auch diejenigen, die nicht glauben, im Gegensatz zu bestimmten religiösen Fundamentalismen, die sogar Atheisten als Ungläubige betrachten. Aber da ist nichts zu machen: bei der bloßen Erwähnung des Themas wird ein konditionierter Reflex ausgelöst.

Dabei gelten die Linken doch als Verfechter der Menschenrechte: zählt dazu nicht auch das Recht, den eigenen Glauben zu bekennen?
Die Instrumentalisierung des Themas Menschenrechte wird immer deutlicher: Wir lassen uns für die Migranten, Opfer des Menschenhandels, in Stücke reißen, wir führen weltweite Kampagnen gegen sexuelle Diskriminierung durch, in wenigen Tagen stimmen wir hier in Brüssel über den Matiĉ-Bericht ab, der darauf abzielt, Abtreibung zu einem allgemeinen Recht zu erklären. Das Recht zu glauben jedoch wird nicht als Menschenrecht betrachtet, obwohl die Religionsfreiheit eines der grundlegenden Menschenrechte ist, das ausdrücklich in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte geschützt wird. Das Datum, der 24. Juni, das wir für den Europatag gewählt haben, ist der Tag, an dem vor einigen Jahren die EU-Richtlinien zum Schutz der Religionsfreiheit ins Leben gerufen wurden. Die Linke schafft es, selbst das Wenige zu verleugnen, das dieses seelenlose Europa mühsam hervorgebracht hat.

Wird Ihre Arbeitsgruppe diese Initiative weiter verfolgen?
Auf jeden Fall. In den kommenden Monaten werden wir den Vorschlag erneut der Konferenz der Präsidenten vorlegen. Wir hoffen, dass sich der gesunde Menschenverstand durchsetzen wird und dass sich neben der Fraktion der Europäischen Konservativen, die den von der Interfraktionellen Arbeitsgruppe für Religionsfreiheit eingebrachten Vorschlag übernommen hat, und den Fraktionen der Europäischen Volkspartei (EVP) sowie der Fraktion Identität und Demokratie (ID), die ihn unterstützt haben, zumindest die Liberale Fraktion anschließen wird, um zumindest eine Mehrheit für die Einführung des Gedenktages zu haben. Wenn wir soweit kommen, werden wir anschließend einen gemeinsamen Text ausarbeiten. Oberste Priorität hat für mich, Selbstzensur zu vermeiden und Schauplätze sowie Ursachen religiöser Verfolgung in der Welt klar zu benennen. Es handelt sich um altbekannte und tief verwurzelte Ursachen, leider kein neues und vorübergehendes Phänomen.

Kürzlich schlug auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa aufgrund antichristlicher Übergriffe Alarm. Glauben Sie, dass die Religionsfreiheit, insbesondere für Christen, heute auch auf dem Alten Kontinent bedroht ist?
Ehrlich gesagt braucht es nicht erst die OSZE, um zu erkennen, dass die antichristliche Stimmung in Europa wächst: Wir prangern das Problem bereits seit geraumer Zeit an. Die gewalttätige und terroristische Seite dieses antichristlichen Extremismus haben anhand der Attacken in Frankreich vor ein paar Monaten gesehen. Aber der noch heimtückischer und gefährlicher ist der kulturelle Angriff, und zwar die Tendenz, die öffentliche Dimension der Religion zurück zu drängen und sie auf eine private Angelegenheit zu beschränken. Dabei hat die christliche Religion die höchsten Formen von Kunst und Architektur der Menschheit hervorgebracht und  diese belebt, gerade weil das innerste Empfinden des Individuums mit dem Gemeinsinn und Volksempfinden übereinstimmte. Besorgniserregend ist auch, was sich an Schulen in Ländern wie Frankreich abspielt, wo das Bekunden christlicher Werte oder auch nur das Bekenntnis zur Laizität des Staates Familien und Lehrer in Gefahr bringt, wie es im Fall des armen Samuel Paty geschah.

Wie kann man diese Tendenz aufhalten?
Wir müssen unsere Wurzeln mit Stolz, aber ohne Fanatismus, wiederentdecken. Nur so können wir diesem Trend, der durch Relativismus Fundamentalismus den Weg ebnet, entgegenwirken.

Die Interfraktionelle Arbeitsgruppe für Religionsfreiheit wurde im Februar 2020 gegründet: Welche Aktivitäten haben Sie bisher in diese Richtung unternommen?
Obwohl unsere Aktivitäten durch CoViD-19 eingeschränkt waren, konnten wir dennoch verschiedene Ziele erreichen. Zunächst einmal die Ernennung des EU-Sonderbeauftragten für die Förderung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit außerhalb der Europäischen Union, Christos Stylianides. Eine Ernennung, auf die wir mehr als zwei Jahre gewartet haben (das Mandat des vorherigen Sonderbeauftragten endete am 30. November 2019), nicht nur wegen ihrer symbolischen Bedeutung sondern auch wegen des reell vorhandenen Bedarfs. Wir hoffen, dass der Sonderbeauftragte über ausreichend Ressourcen verfügt. So werden zum Beispiel in Pakistan immer mehr Menschen aufgrund der Blasphemiegesetze diskriminiert oder sind von der Todesstrafe bedroht. Der Sonderbeauftragte kann ihnen beistehen, ihnen helfen, sie sogar retten, wie im Fall von Asia Bibi oder im jüngsten Fall des Ehepaars Shafqat Emmanuel und Shagufta Kausar, die nach einem von unserer Arbeitsgruppe angeregten Beschluss des EU-Parlaments freigesprochen und vor der Todesstrafe bewahrt wurden. Derzeit bereiten wir wie jedes Jahr den Jahresbericht der Arbeitsgruppe vor, der sich weitgehend auf die regelmäßig veröffentlichten Daten und Berichte wichtiger Organisationen wie Open Doors, Kirche in Not etc. stützen wird. Die jüngsten Ereignisse haben uns allerdings gezeigt, dass unsere interfraktionelle Arbeitsgruppe, die als parteiübergreifendes Gremium entstanden ist, noch einen langen und mühsamen Weg vor sich hat.

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