Von Mäusen und Menschen: Die künstliche Gebärmutter

Nach der erfolgreichen Züchtung eines Mäuseembryos in einem Glasgefäß fragt man sich, ob der Mensch nun als nächstes dran ist?

Was heute noch wie Science Fiction anmutet, ist in einigen Labors bereits dabei, Realität zu werden. Ein Bild liefert den Beweis: Ein graues Häufchen Etwas windet sich in einer Flüssigkeit innerhalb eines Glasgefäßes. Bei genauerem Hinsehen erkennt man Herzzellen, einen Kopf und Gliedmaßen: Es ist ein lebendiger Mäuseembryo. Die Aufnahme entstand in Israel, wo eine Forschergruppe Mäuseembryonen zwölf Tage lang in künstlichen Gebärmüttern heranzüchtete – das ist etwa die Hälfte der normalen Tragezeit der Nagetiere. Die Studie wurde in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.

Als nächstes ist der Mensch dran

Es ist ein erster konkreter Schritt in Richtung der so genannten „Ektogenese“, d.h. der Zeugung und Reifung in einer künstlichen Gebärmutter. Die an der Studie beteiligten Wissenschaftler meinen, dass menschliche Embryonen die nächsten sein könnten. „Das legt den Grundstein für andere Arten“, erklärte Jacob Hanna, ein Entwicklungsbiologe am Weizmann Institute of Science in Rehovot, Israel, der das Forschungsteam leitete, gegenüber MIT Technology Review. „Ich hoffe, dies wird den Wissenschaftlern ermöglichen, menschliche Embryonen bis zur fünften Woche zu erzeugen.“ Hanna glaubt nämlich, dass künstlich gezüchtete Embryonen das infolge von Abtreibungen gewonnene Gewebe in der Forschung ersetzen und auch für medizinische Behandlungen verwendet werden könnten.

Embryonen als Organreserve

Derzeit herrscht, wie Michael Cook, Direktor des Wissenschaftsinformationsportals MercatorNet, betont, ein globales unausgesprochenes Verbot unter Wissenschaftlern: Erforschungen an Embryonen werden nur bis zum 14. Tag der embryonalen Entwicklung durchgeführt. Doch viele Bioethiker und Wissenschaftler würden diese Frist gerne verlängern. Hanna ist einer von ihnen. „Der Vorteil, menschliche Embryonen bis zur dritten, vierten und fünften Woche heranreifen zu lassen, ist von unschätzbarem Wert. Ich denke, solche Experimente sollten zumindest in Betracht gezogen werden. Wenn man einen menschlichen Embryo in fortgeschrittenem Stadium hätte, könnte man eine Menge lernen“, sagt der israelische Wissenschaftler.

Laut William Hurlbut, einem Arzt und Bioethiker an der Stanford University in Kalifornien, könnten Embryonen gezüchtet werden, um bei Bedarf Organe zur Verfügung zu haben. „Ich denke nicht, dass die Organentnahme so abwegig ist“, behauptet er, „es könnte irgendwann geschehen.“ Schließlich, fügt Hurlbut hinzu, „verschiebt sich die Grenze des wissenschaftlich Möglichen weg von Molekülen und Reagenzgläsern und hin zu lebenden Organismen“.

Eine weitere Studie

Vielmehr scheint sich die Grenze von Wissenschaft zu Science Fiction zu verschieben. Mir kommt das Buch Schöne neue Welt in den Sinn, das 1932 von dem englischen Schriftsteller und Philosophen Aldous Huxley (1894 -1963) geschrieben wurde: in dem Roman werden Kinder künstlich aus Reagenzgläsern und künstlichen Gebärmüttern geboren. Wir leben in einer Zeit, in der ein gewisses Übermaß in der Forschung herrscht: In derselben Ausgabe von Nature mit der Mäuse-Studie ist auch Platz für eine andere Forschergruppe. Diese haben ein Experiment durchgeführt, bei dem Hautzellen und Stammzellen in der Lage sind, sich selbst zusammenzusetzen. Heraus kommen die sogenannten Blastoide, eine Art künstliche Version von Blastozysten, d.h. Embryonen im letzten Stadium der Präimplantationsentwicklung.

Abschied von der natürlichen Schwangerschaft?

Wie gesagt, scheinen sich die Grenzen immer weiter zu verschieben. Cook veranschaulicht, dass die erste ethische Schwelle überschritten wurde, als man mit Experimenten an menschlichen Embryonen begann. Später dann, im Jahr 2007, wurde das 14-Tage-Limit eingeführt. „Damals schien es unmöglich, Embryonen im Labor über diesen Zeitraum hinaus generieren zu können“, bemerkt der Redakteur von MercatorNet. „Aber jetzt, wo man kurz davor steht, dies umzusetzen, wird man immer weiter gehen und Embryonen künstlich bis zu einem neuen Zeitlimit heranzüchten“, folgert er.

Finanzierung durch EU-Mittel

In einigen Köpfen existiert jedoch überhaupt keine Grenze mehr: Es gibt Personen, die das Ziel verfolgen, sogar die Geburt eines Menschen außerhalb des weiblichen Körpers zu ermöglichen. Man denke nur an das von der Europäischen Union mit 3 Millionen Euro finanzierte Projekt einer künstlichen Gebärmutter, deren Initiatoren freiheraus Folgendes aussprechen: „Stellen Sie sich eine Zukunft vor, in der die derzeitigen Grenzen der Fortpflanzung nicht mehr existieren, sondern in der Leben auf eine neue Art und Weise geschaffen und gesammelt werden kann. Eine Zukunft, in der die natürliche Schwangerschaft durch eine künstliche Gebärmutter ersetzt wird“. 

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