„Der Mensch muss sich mit dem Gedanken abfinden, dass er nicht alles begreifen kann“. Mit diesen Worten endet ein interessanter Artikel, den der emeritierte Professor für Neurochirurgie und Neurologie an der Universität Zürich Arnaldo Benini in der Sonntagsbeilage der italienischen Zeitung Il Sole 24 Ore vom 3. Januar veröffentlicht hat.
In dem Artikel wird das [bisher nur auf Englisch erschienene] Buch The Genesis Quest: The Geniuses and Eccentrics on a Journey to Uncover the Origin of Life on Heart von Michael Marshall, Journalist der britischen Wochenzeitung New Scientist, rezensiert. Darin beschreibt der Autor die Versuche, die unternommen wurden, um den Ursprung des Lebens zu verstehen: „Was ist Leben und wie ist es auf der Erde entstanden“ – Fragen, die sich die Menschheit seit jeher stellt.
Jahrhunderte, ja sogar Jahrtausende hat es gedauert, bis man begriffen hat, dass Leben nur aus Leben entsteht und dass eine spontane Entstehung ausgeschlossen ist, wie Francesco Redi (1626-1697) anhand von Insekten (1668), der Jesuitenpater Lazzaro Spallanzani (1729-1799) anhand von Einzellern (1748) und Louis Pasteur (1822-1895) anhand von Bakterien (1861) bewiesen haben. Hat sich die spontane Erzeugung als nicht möglich erwiesen, so trifft dies zugleich auf die Abiogenese zu, die den Ursprung des Lebens auf der Erde erklären möchte.
„Abiogenese“ bedeutet auch nur „Spontanzeugung“ zwar etwas vornehmer ausgedrückt, aber die Widerlegung ist dieselbe. Kurz gesagt, die Wissenschaft (nicht der Opinionismus) folgert: omne vivum ex vivo.
Die Abiogenese ist also eher eine „philosophische Notwendigkeit“, wie das Larousse-Lexikon 1872 erklärte, um sich nicht der Beweisführung Pasteurs zu beugen. In Schulbüchern wird immer noch das 1952 von den Amerikanern Stanley L. Miller (1930-2007), einem Biochemiker, und Harold C. Urey (1893-1981), einem Chemiker, durchgeführte Experiment als Beweis für die Entstehung von Aminosäuren, den „Bausteinen des Lebens“, in der „Ur-Atmosphäre“ im Reagenzglas aufgeführt, aber – so Marshall – es wird verschwiegen, dass die reale Ur-Atmosphäre „sich sehr von der im Experiment nachgestellten unterschied“.
Kurz gesagt, während es einige ernstzunehmende Versuche gab, den Ursprung des Lebens zu begreifen, waren andere höchst fragwürdig. Einige Ansätze sind verblüffend, andere sehr unwahrscheinlich. Zum Beispiel die sogenannte „Panspermie“, „die besagt, dass lebende Organismen vom Himmel gefallen seien“, nachdem sie den Weltraum durchquert hätten, eine These, die auch von renommierten Wissenschaftlern unterstützt wurde. Handelt es sich also lediglich um entschärften Relativismus? Ganz und gar nicht, und gerade deshalb sind das Werk von Marshall und die in einer angesehenen Zeitschrift veröffentlichte Rezension sehr wichtig und zwar so sehr, dass es einer Rückbesinnung auf die entscheidende Frage bedarf. Ein großes Mysterium umgibt den Ursprung des Lebens auf unserem Planeten, sagt Marshall. Und allein die Tatsache, sich dessen bewusst zu werden, ist ein seltenes Beispiel von tiefer Demut und großem Realismus. Was wirklich niemandem schadet. Das Leben und in dessen Zentrum der Mensch, der – angefangen bei der Familie – Schöpfer von Gemeinschaft und Geschichte ist. Bevor man jede weitere Überlegung anstellt, verdient dieses Mysterium, das wir nicht begreifen können, ohne es zu zerstören, tiefsten Respekt und damit auch Schutz. Das sagt sogar die Wissenschaft.
Discussion about this post