Der durch das Coronavirus bedingte Lockdown hat uns an Bilder gewöhnt, die man höchstens aus postapokalyptischer oder dystopischer Literatur kennt. Darunter sind Fotos und Videos, die die Phantasie der Menschen besonders beflügelt haben, nämlich die von „der Natur, die sich ihr Territorium zurückerobert“, d.h. von wilden Tieren, die sich in die Zivilisation begeben, ungestört an Straßenrändern grasen, um die Häuser verängstigter Menschen umherschweifen und die menschenleeren Zement- und Asphaltlandschaften bevölkern. Derzeit befindet sich fast die ganze Welt in der so genannten „Phase 2“, vor allem Italien, und man wird Zeuge einer entgegengesetzten Bewegung: Der Mensch gewinnt zaghaft die Oberhand, die Straßen füllen sich langsam wieder mit Autos, auf den Bürgersteigen sieht man erst eine, dann zwei, drei, vielleicht sogar vier Personen, alle noch in gebührendem Abstand, aber in merklich zunehmender Weise.
Während sich all dies abspielt, springt einem sofort etwas ins Auge. Die Natur ist ganz und gar nicht diese paradiesische, idyllisch-arkadische Kulisse, in der alles schön, gut und perfekt ist. Nehmen wir zum Beispiel das Coronavirus. Gerade dieses neue, unbekannte und tödliche Übel macht uns etwas ganz Einfaches klar. Dass man die Natur bändigen, unterwerfen, im Zaum halten und oft sogar bekämpfen muss. Dass die sich selbst überlassene Natur Chaos, Tod und Zerstörung stiftet. Dass der Mensch als Beherrscher der Natur unverzichtbar ist. In Nullkommanichts hat das Virus Abertausende von Menschenleben dahingerafft. Und dann muss man sich all den Unsinn anhören über Wildnis, in die man nicht eingreifen darf. Oder die Vorstellung, die Natur habe sich gegen die – tatsächlichen oder vermeintlichen – Misshandlungen durch den Menschen gewehrt.
Ganz gleich ob die Natur nun malträtiert wird oder nicht, CoViD-19 macht einfach nur seinen Job. Ich bin kein Virologe, aber ich glaube nicht, dass ich mit meiner Annahme falsch liege: Das Coronavirus würde auch dann existieren, wenn es den Menschen gar nicht gäbe. Das neue Virus hat nämlich nicht aus Rache begonnen, Menschen zu töten: Es hat Menschen getötet und tötet sie auch weiterhin, weil genau das seine Natur ist. Die einzige Hoffnung besteht darin, dass der Mensch den Kampf gewinnt und einen Weg findet, die zerstörerische Kraft der Natur, in diesem Fall ein Virus, einzudämmen. Wäre da nicht der Mensch, der die Natur aufzuhalten versuche, käme es zur Katastrophe. Und sollte es der Mensch eines Tages nicht schaffen, der Natur Einhalt zu gebieten, wird die Zerstörung kommen, und zwar endgültig.
Kurzum, der Mensch ist nicht das Virus der Erde, wie viele, ja allzu viele denken. Der Mensch ist vielmehr die Lösung, derjenige, der der Natur die Stirn bieten kann.
Wenn wir die Coronavirus-Krise vollständig hinter uns gelassen haben, müssen wir weiterhin auf der Hut sein und Bilanz ziehen. Zu den Dingen, die wir dann hoffentlich nicht mehr hören müssen, gehören die Märchen von der „sich gegen Malträtierung aufbäumenden Natur“ und der „vom Menschen attackierten Natur“. Das Virus wird sie vielmehr zusammen mit einer unglücklicherweise großen Anzahl von Menschen begraben haben. Der Tod hat die Umweltschützer seit Februar nicht nach ihrer Meinung gefragt: Er hat auf die natürlichste Art und Weise getötet, man könnte sogar sagen, mit amoralischer Schlichtheit. Glücklicherweise ist die Lösung noch nicht ausgestorben: Der Mensch existiert und resistiert, allzeit bereit, sich sein Territorium zurückzuerobern und die zerstörerischen Kräfte zurückzudrängen.
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