IFamNews: Lieber Tomislav, die ersten beiden Monate des neuen Jahres sind schon vergangen, aber wir wollen trotzdem noch einmal Rückschau auf das Jahr 2022 halten, denn es war ein bewegtes Jahr für den Lebensschutz, gerade auch in Deutschland. Ihr wart mit 40 Tage für das Leben ganz vorne mit dabei. Wie viele 40-Tage-Kampagnen habt ihr im vergangenen Jahr durchgeführt und in wie vielen Städten habt ihr gebetet?
Tomislav Čunović: Wie auch die Jahre zuvor haben unsere Teams in München, Frankfurt am Main und Pforzheim jeweils zwei Kampagnen durchgeführt. Im Herbst 2022 war nun das erste Mal auch Stuttgart mit von der Partie. Im deutschsprachigen Raum sind auch Wien und Innsbruck und seit letztem Herbst nun auch Basel mit dabei.
IFamNews: Gebet wirkt ja häufig erst einmal im Verborgenen, aber konntet ihr schon sichtbare Erfolge eurer Kampagnen sehen? Haben Organisationen geschlossen, haben sich Mütter für ihre Kinder entschieden und Abtreibungen kurzfristig abgesagt?
Tomislav Čunović: Seit 2007 wurden weltweit 22.829 Kinder vor einer Abtreibung gerettet, weil jemand vor der Klinik gebetet und die Mutter Ja zum Leben gesagt hat. 132 Abtreibungseinrichtungen haben ihre Tätigkeit eingestellt, weil Leute vor diesen gebetet haben. Und 247 Mitarbeiter von Abtreibungsorganisationen habe ihre Arbeit aufgegeben, weil jemand für sie gebetet hat. Die bekannteste darunter ist wohl Abby Johnson – deren Geschichte in Unplanned verfilmte wurde. Aber auch zu nennen sind Ramona Trevino, Mayra Rodrigues und Patricia Sandoval, die für Planned Parenthood (Internationaler Abtreibungsanbieter in den USA, Anm. JRP) gearbeitet haben sowie der Brite Kevin Duffy für Marie Stopes (Internationaler Abtreibungsanbieter in Großbritannien, Anm. JRP). Sie alle klären nun als Whistleblower, Redner und Autoren über die skrupellosen Geschäfte ihrer ehemaligen Arbeitgeber auf und engagieren sich in der Lebensschutz-Bewegung.
IFamNews: Wie reagieren die Passanten und die Abtreibungsorganisationen auf euer Gebet?
Tomislav Čunović: Die Passanten reagieren überwiegend neugierig und positiv. Hin und wieder gesellt sich sogar jemand spontan zum Gebet dazu. Natürlich gibt es auch ablehnende Reaktionen. Zu gezielten Störaktionen kommt es auch gelegentlich, jedoch sind das keine normalen Passanten, sondern radikale Aktivisten, die gezielt stören wollen. Die Abtreibungsorganisationen wie beispielsweise pro familia sehen betende Menschen vor ihren Einrichtungen natürlich nicht gerne, da es die herrschende Abtreibungspraxis in Frage stellt und schlecht für den Ruf und das Geschäft ist. Daher versuchen sie mit allen Mitteln betende Menschen in der Öffentlichkeit als eine Gefahr darzustellen. Diese Taktik ist jedoch nicht ganz aufgegangen. Während Medien und Politik bereit waren, dieses Spiel mitzuspielen, haben nun die Gerichte in zweiter Instanz, d.h. der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim und der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel, der Einführung von sogenannten Bannmeilen vor der pro familia in Frankfurt und Pforzheim – was de facto ein Versammlungs- und Gebetsverbot darstellt – einen Riegel vorgeschoben und die Versammlungs-, Meinung,- und Religionsfreiheit der friedlich betenden Menschen wiederhergestellt.
IFamNews: Bist du auch inhaltlich mit der Aufhebung der beiden Gebetsverbote zufrieden? Laufen derzeit noch weitere gerichtliche Auseinandersetzungen beziehungsweise erwartest du weitere Verbotsversuche?
Tomislav Čunović: Natürlich bin ich mit dem Ausgang zufrieden, denn ich habe die Prozesse selber als Anwalt geführt und es als große Ungerechtigkeit empfunden, dass friedlich betende Menschen durch die pro familia, die Medien und die Politik wider besseres Wissen als Bedrohung dargestellt wurden. Diese Entscheidungen sind aber nicht nur für uns wichtig, sondern für die gesamte Lebensschutzbewegung in Deutschland, denn die Gerichte haben festgestellt, dass von friedlich betenden Menschen weder für die Beratungsstellen noch für schwangere Frauen, welche diese Stellen aufsuchen, eine Gefahr ausgeht. Es verlief immer alles friedlich und rechtmäßig. Für den oft in den Medien kursierenden Vorwurf, dass schwangere Frauen einem Spießrutenlauf ausgesetzt seien, konnten die Gerichte keine belastbaren Anhaltspunkte finden. Enttäuschend ist aber schon, dass wir erst vor Gericht ziehen mussten, um etwas feststellen zu lassen, was allen Beteiligten von Anfang an bekannt war.
Obwohl die Gerichte keine weiteren Rechtsmittel zugelassen haben, da sie keinen weiteren Klärungsbedarf sehen, versucht die Stadt Pforzheim in einem weiteren Beschwerdeverfahren eine nächste Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu erstreiten. Argumente hat sie nicht wirklich, sie handelt vielmehr nach dem Motto, es kann nicht sein, was nicht sein darf. Daher sehe ich dem ganzen auch gelassen entgegen.
Ich vermute, dass hier einfach aus politischen Gründen auf Zeit gespielt wird, in Erwartung, dass der Gesetzgeber in Berlin ein Gesetz auf den Weg bringt, welches solche Bannmeilen um Beratungsstellen und Abtreibungsklinken ermöglichen sollte. Jedoch ist auch der Gesetzgeber an Gesetze und Rechtsprechung gebunden. Bannmeilen sind mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und sind zutiefst undemokratisch. Sie erinnern an Diktaturen und haben in einer pluralistischen Demokratie nichts verloren. Daher kann ich mir nicht vorstellen, dass ein solches Bannmeilengesetz kommt.
IFamNews: Ihr seid ja nicht nur in Deutschland aktiv, sondern auch in anderen europäischen Ländern. Wo in Europa organisiert ihr noch das 40-tägige Gebet und wie entwickelt sich eure Bewegung dort?
Tomislav Čunović: Wir sind derzeit in insgesamt 13 europäischen Ländern mit über 70 Kampagnen vertreten. Spanien, Portugal, Deutschland, Österreich, Schweiz, Kroatien, Serbien, Ungarn, Rumänien, Slowakei, Lettland, England und Schottland. Für die nächste Kampagne haben sich nun auch Norwegen und die Tschechische Republik angekündigt und die Italiener und Polen haben auch ernsthaftes Interesse bekundet. Bis zum Jahresende hoffen wir dann noch die Holländer und Franzosen für unsere Mission zu gewinnen.
IFamNews: 2022 ist in den USA das Urteil Roe v Wade aufgehoben worden, das 1973 Abtreibungen bundesweit legalisiert hatte. Etliche amerikanische Bundesstaaten haben seither Gesetze für den Schutz des ungeborenen Lebens verabschiedet. In Deutschland hat die Ampel-Regierung hingegen das Werbeverbot für Abtreibungen aufgehoben. Wie werden diese beiden Ereignisse die Lebensschutzarbeit in den USA und in Deutschland deiner Meinung nach beeinflussen?
Tomislav Čunović: 50 Jahre Abtreibung seit Roe vs. Wade haben 70 Millionen ungeborene Kinder in den USA das Leben gekostet und die USA zum größten Abtreibungsexporteur auf der Welt gemacht. Das sind barbarische Zustände. Dieses Unrecht schreit zum Himmel. Die Richter hatten nun den Mut einen historischen Fehler einzugestehen und zu korrigieren. Diese Entscheidung des Supreme Court ist ein Hoffnungsschimmer für die USA und für die ganze Welt. Eine Zäsur, wenn man so will. In den USA ist der Konflikt jedoch nicht verschwunden, er hat sich vielmehr auf die Ebene der Bundesstaaten verlagert. Die Entscheidung hat der Pro-Life-Bewegung natürlich im In- und Ausland Aufwind gegeben, denn diese Entscheidung zeigt, dass es richtig ist und es sich lohnt, für das Lebensrecht ungeborener Kinder zu kämpfen. Zudem haben viele Bundesstaaten umgehend den gesetzlichen Lebensschutz für ungeborene Kinder verbessert und tragen damit direkt dazu bei, dass Kinderleben gerettet werden. Die von Skandalen gebeutelte Abtreibungslobby steht hingegen mit dem Rücken zur Wand und kann sich mittlerweile weder auf Recht noch Moral, nur auf pure Ideologie und das Recht des Stärkeren berufen.
Die Aufhebung des Werbeverbots durch die Ampel-Koalition in Deutschland stellt ebenfalls eine Zäsur dar, jedoch mit negativen Vorzeichen. Es ist ein alarmierendes Signal, denn es zeigt, dass der Staat noch weiter von seinem im Grundgesetz verankerten Auftrag, den Schutz der Menschenwürde geborener wie ungeborener Menschen zu gewährleisten, immer weiter abrückt. In Deutschland darf nun für die vorgeburtliche Kindestötung straffrei geworben werden. Eine dramatische Entwicklung. Wir müssen auf weitere Einschnitte dieser Art gefasst sein und dieser Entwicklung entgegentreten. Und zwar nicht nur auf weltlicher Ebene, sondern insbesondere auf geistiger. Das weltliche Wirken wird ohne das aufrichtige Gebet fruchtlos bleiben.
IFamNews: Was habt ihr mit 40 Tage für das Leben für das Jahr 2023 geplant. Wann werdet ihr in welchen Städten beten?
Tomislav Čunović: Wir planen unsere Projekte in Europa und insbesondere im deutschsprachigen Raum zu erweitern und suchen hierfür auch noch geeignete Projektpartner.
Ein Höhepunkt wird sicher unser erstes Buchprojekt im deutschsprachigen Raum sein. Wir werden dieses Jahr den US-Amazon-Bestseller unter christlichen Büchern „What To Say When – ein neuer Leitfaden zur Diskussion über Abtreibung“ von Shawn Carney, dem Präsidenten und Mitbegründer von 40 Days for Life, auf Deutsch herausgeben.
Das Buch ist ein absolutes Muss für jeden, der sich an der wichtigsten Debatte unserer Zeit beteiligen möchte.
Dies alles dient aber natürlich dem Ziel, noch mehr Menschen für unsere Mission und unsere öffentlichen Gebetskampagnen zu gewinnen, damit noch mehr Kinderleben gerettet werden.
Die nächste Fastenzeitkampagne beginnt an Aschermittwoch den 22. Februar 2023 und geht bis zum Palmsonntag den 2. April 2023. Gebetet wird wieder in München, Stuttgart, Pforzheim und Frankfurt am Main.
IFamNews: Wie kann man Kontakt zu euch aufnehmen und Teil der Bewegung werden?
Tomislav Čunović: Mehr Infos gibt es unter https://www.40daysforlife.com oder direkt bei mir [email protected].
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