„Gesetz gegen Homotransphobie: Im Mittelpunkt steht die Sprache“, so titelte am 5. Juli – als in Italien die Debatte über den Gesetzesentwurf Zan tobte – ein Beitrag der Mailänder Frauenbuchhandlung ‚La libreria delle donne di Milano’, in dem es hieß, dass „jede Veränderung der Sprache die Macht hat, die persönliche Identität zu beeinflussen“. Nur wenige Tage zuvor hatte die Zentraldirektorin des Nationalen Instituts für Statistik, Linda Laura Sabbadini, in ihrem Leitartikel für die Tageszeitung La Repubblica erklärt, dass die „Identität eine soziale, in Entwicklung befindliche Konstruktion ist und unsere Leben nicht mehr starr festgeschrieben sind“.
Durch Anwendung des Konzepts der „Geschlechtsidentität“ mündet der Kampf um die so genannten ‚Rechte’ einer Minderheit in „eine Täuschung, welche die Körperlichkeit verschwinden lässt“, d.h. praktisch die Hälfte der Weltbevölkerung, nämlich die Frauen, werden unmittelbar diskriminiert. Dies ist übrigens ein Thema, das nicht nur unser Land betrifft und das sich nicht erst in den vergangenen Wochen entwickelt hat, wie der italienisch-amerikanische Experte Stefano Gennarini in seiner bemerkenswerten The Gender Agenda: How the LGBT Movement is Hijacking Women’s Rights erklärt.
Der Gender-Begriff in der Politik der Vereinten Nationen und im Völkerrecht
Wir befinden uns am Beginn der 1990er Jahre, als die Bezeichnung „Gender“ zum ersten Mal innerhalb der UNO auftaucht, um klar und unmissverständlich auf die soziale, politische und wirtschaftliche Ungleichheit zwischen Mann und Frau hinzuweisen. Das Wort „Gender“ bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die beiden biologischen Geschlechter, männlich und weiblich, um die Emanzipation des so genannten „schwachen Geschlechts“ (der Frauen, muss man heutzutage hinzufügen) sowie die Gleichstellung von Mann und Frau zu fördern.
In dreißig Jahren kam es jedoch zu erheblichen Veränderungen, so dass in der Politik der UNO sowie im Völkerrecht der Gender-Begriff sich nun nicht länger zweifelsfrei auf eine biologische Gegebenheit bezieht, sondern zu einem Instrument für Minderheitengruppen geworden ist, die unfähig sind, politische Unterstützung zur demokratischen Geltendmachung ihrer Forderungen zu gewinnen. Sie haben den Frauen nicht nur die Waffen, sondern auch das Schlachtfeld entrissen.
Im Jahre 1996 und später im Jahr 2010 kamen die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen – zunächst während der Habitat-Konferenz in Istanbul und dann im Rahmen der Organisation der Vereinten Nationen für die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frau (UN Woman) – überein, wie es im entsprechenden Bericht Report of the United Nations Conference on Human Settlements (Habitat II)heißt, dass „das im Aktionsplan verwendete Wort Gender bzw. Geschlecht im herkömmlichen und allgemein akzeptierten Gebrauch interpretiert und verstanden werden sollte“. In einer ungleich deutlicheren Erklärung führte das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs aus dem Jahr 2000 – das im Gegensatz zu den UN-Konferenzen völkerrechtlich bindend ist – weiter aus: „Im Sinne dieses Statuts gilt, dass sich der Begriff Gender bzw. Geschlecht auf die beiden Geschlechter, männlich und weiblich, im gesellschaftlichen Kontext bezieht. Der Begriff hat keine weitere Bedeutung neben der zuvor genannten“.
Es hat sich einiges geändert
Immer häufiger jedoch wenden sich verschiedene UN-Agenturen, wie beispielsweise die United States Agency for International Development (USAID), von den eindeutigen, gemeinsam festgelegten Definitionen ab und hin zur Einbeziehung von Männern, die sich zu Homosexualität bekennen oder sich der eigenen Geschlechtsauffassung zufolge als Frauen identifizieren. Tatsächlich findet man in der Publikation mit dem Titel Integrating Gender Equality and Female Empowerment in USAID’s Program Cycle eine mehrdeutige Definition von ‚geschlechtsbezogener Gewalt’: „Geschlechtsbezogene Gewalt ist ein Sammelbegriff für jede Art von Drohung oder schädigender Handlung gegen eine Einzelperson oder gegen eine Gruppe aufgrund des Geschlechts, sei es des biologischen oder des empfundenen Geschlechts, der Geschlechtsidentität und/oder des Ausdrucks der Geschlechtlichkeit, der sexuellen Orientierung und/oder der Abweichung von gesellschaftlichen, auf Männlichkeit und Weiblichkeit basierenden Normen“. Das ist eine entscheidende und drastische Veränderung in Anbetracht der von USAID ausgeübten Machtbefugnisse, die Aktionen verschiedener internationaler Organisationen zu koordinieren. So ist innerhalb dieser Organisationen nunmehr die poetische Formulierung „mehrfache und intersektionelle Diskriminierung“ gebräuchlich und auch in den Resolutionen der UN-Generalversammlung ist diese Wortwahl allgegenwärtig.
Während der Veranstaltung Gender Diversity Beyond Binaries im vergangenen Juli kündigte die Präsidentin von UN Women Phumzile Mlambo-Ngcuka an, die Organisation werde ihre Bemühungen nicht mehr ausschließlich auf die Rechte der Frauen, sondern vielmehr auf die Gleichstellung „aller Geschlechter“ konzentrieren, einschließlich LGBTQ+ Menschen (lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, queer, intersexuell, pansexuell, geschlechtsunkonform, nicht-binär und die ganze Bandbreite der heute bestehenden Geschlechtsvarianten). Nicht ganz unerheblich ist die Tatsache, dass Mlambo-Ngcuka über ein Jahresbudget von rund 1 Milliarde US-Dollar verfügt: Geld, das nun nicht mehr ausschließlich für Projekte zu Gunsten von Frauen verwendet, sondern auch an Männer verteilt wird, die ihre genitale Aktivität auf andere Weise ausüben oder mit ihrem angeborenen biologischen Geschlecht in Konflikt stehen.
Gender als soziales Konstrukt: Reden wir vom Geschlecht der Engel?
Auch der Völkerrechtausschuss drängt auf eine Neudefinition des Begriffs Geschlecht im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs und verlangt, Geschlecht als „sozial konstruiert“ zu definieren und folglich sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität zu völkerrechtlich geschützten Kategorien zu erklären. Auf diese Weise stünden alle Nationen unter großem Druck, „unterschiedliche Geschlechtsvarianten als Imperativ der Menschenrechte“ anerkennen zu müssen.
Sollte dies geschehen, könnte sich jeder Mensch selbst beschreiben und sein eigenes Geschlecht erfinden, und somit würde sich jedweder Versuch einer objektiven Definition auf eine Diskussion über das Geschlecht der Engel reduzieren (man denke nur an die Vielzahl der auf Facebook vorgeschlagenen subjektiven Selbstdefinitionen). Dies würde unweigerlich Konsequenzen für das Völkerrecht nach sich ziehen, obwohl die Völkerrechtskommission an sich nicht dazu befugt ist, das Römische Statut eigenmächtig zu ändern. Derartige unrechtmäßige sprachliche Änderungen haben jedoch ganz konkrete Folgen: Frauen und Mädchen werden aus internationalen Hilfsprogrammen gestrichen und bei der Planung außen vor gelassen.
Hätte Sabbadini Recht und würde sie durch ihre Definition der Identität als „soziales Konstrukt“ in der Tat die Forderungen der LGBT+-Gemeinschaft – nämlich die Politik der internationalen Organisationen zu ihren Gunsten zu modifizieren – legitimieren, müssten sich die Feministinnen für endgültig geschlagen erklären. Jeder mit XY-Chromosomen geborene Mensch könnte aufgrund seiner simplen Erklärung, sich „als Frau zu fühlen“ nicht nur Privilegien ergattern, die in jahrelangen Kämpfen von Frauenrechtlerinnen errungen worden sind, sondern sich sogar eines Verbrechens gegen Frauen schuldig machen. Tatsächlich geschieht dies bereits.
Dies sind die Auswirkungen eines extrem gnoseologischen Nominalismus, wie Humpty-Dumptys meisterhafte Erklärung an Alice veranschaulicht: „Wenn ich ein Wort verwende, […] dann bedeutet es genau das, was ich will – nicht mehr und nicht weniger.“ Darauf wendet Alice ein: „Es ist nur die Frage, ob Sie Wörter einfach so sehr Unterschiedliches bedeuten lassen können.“ Doch Humpty Dumpty erwidert souverän: „Es ist nur die Frage, wer hier das Sagen hat – so sieht’s aus.“
Ohne jeglichen Bezug zur Realität und ohne jegliche Suche nach Wahrheit, bleibt eigentlich nur noch die Frage: „Wer hat hier das Sagen? So sieht’s aus…“