Heute, am 7. Mai, wird in Wadowice, Polen, der Seligsprechungsprozess der Eltern von Karol Wojtyła (1920-2005), eröffnet. Wojtyła war seit 1978 Papst der katholischen Kirche mit dem Namen Johannes Paul II. und 2014 wurde er heiliggesprochen. Seine Eltern waren Emilia Kaczorowska (1884-1929) und Karol Wojtyła senior (1879-1941). Heute erscheint in Polen auch die erste Biographie der beiden Wojtyła-Eltern, im Verlag Esprit e W Drodze. Prof. Milena Kindziuk der Universität Kardinal Stefan Wyszyński in Warschau ist Autorin und hat für ihr Buch ein Vorwort von Stanisław Dziwisz, lange Zeit Sekretär des Papstes, einholen können.
Wie kamen Sie auf die Idee, ein Buch über die Mutter und den Vater des hl. Johannes Paul II. zu schreiben und auf welche Quellen stützen Sie sich?
Das Buch ist das Ergebnis umfangreicher Studien über die Familie des Papstes. Vor einigen Jahren habe ich ein Buch über Emilia, Karols Mutter, veröffentlicht. Ich war besonders daran interessiert, zu verstehen, wer die für die Familie so zentrale Frau ist, die einen zukünftigen Papst großziehen würde. Ich war fasziniert von ihrer heldenhaften Haltung, als sie trotz einer schwierigen Schwangerschaft, die sie und ihr Leben bedrohte, die vom Arzt empfohlene Abtreibung ablehnte. So gebar sie einen völlig gesunden Sohn, der später zum Papst wurde. Ich stimme dem bekannten italienischen Journalisten und Schriftsteller Renzo Allegri, zu, der in einem Buch mit einem faszinierenden Titel, Die zwei Mütter von Papst Wojtyla: Emilia Kaczorowska und Gianna Beretta Molla, das Leben der Mutter von Johannes Paul II. mit dem Schicksal der Heiligen verband, die – mit dem Opfer ihres Lebens – der Abtreibung eine Absage erteilte. Beide Frauen überlebten, wie der Autor betont, das große Drama der Mutterschaft: Sie mussten zwischen ihrem eigenen Leben und dem Leben des Kindes wählen. Beide entschlossen sich in dieser tragischen Situation für das Leben des Kindes, indem sie sich selbst opferten. Zwei heldenhafte Mütter, Märtyrer und Heilige.
Das Leben der Mutter Karol Wojtyła war aber nur sehr kurz…
Das ist richtig! Emilia starb 1929. Mir gelang es kürzlich, neue mündliche und archivarische Zeugnisse über ihr Leben und ihre unruhige Schwangerschaft zu finden. Ich habe auch neue Dokumente über ihren Ehemann Karol Wojtyła sen. gesammelt, der sich nach dem Tod seiner Frau bis zu seinem Tod 1941 mit großem Engagement um seinen Sohn Karol jr. kümmerte. Da ich so viel unveröffentlichtes und interessantes Material zur Verfügung hatte, schrieb ich eine Biografie beider Ehepartner: eine historische gleichzeitig aber auch geistliche Biographie. Ich habe versucht, auch den Kontext zu zeigen, in dem sich ihr Leben abspielte:: das späte neunzehnte und frühe zwanzigste Jahrhundert, als Südpolen, in dem die Wojtyłas lebten, Teil des österreichisch-ungarischen Reiches war, die schweren Erfahrungen des Ersten Weltkriegs (1914-1918) und schließlich die Zeit, als Polen 1918 die Unabhängigkeit wiedererlangte. Ich konzentrierte mich vor allem auf das tägliche Familienleben von Emilia und Karol, ihre sehr schlichte Existenz, die aber stetig von Glaube, Liebe und christlichen Werten definiert war.
Was wissen wir über Emilia Kaczorowska?
Emilia wurde 1884 in Krakau geboren und wuchs in derselben Stadt auf. Ebenfalls in Krakau heiratete sie 1906 mit Karol Wojtyła, einen Soldaten. Seit Leutnant Wojtyła 1913 nach Wadowice versetzt wurde, war das Leben der Familie Wojtyła eng mit dieser Stadt verbunden, obwohl er sie während des Ersten Weltkriegs (er verbrachte ein ganzes Jahr in Mähren, heute Tschechische Republik) verlassen musste. Emilia und Karol sen. hatten drei Kinder, von denen eines wenige Stunden nach der Geburt starb. Der älteste Sohn, Edmund, wurde Arzt und starb im Alter von 26 Jahren (er wurde von Scharlach befallen, als er einen Patienten retten wollte). Als Emilia 1920 den zweiten Sohn, Karol jr., zur Welt brachte, wurde ihr Gesundheitszustand zutiefst angeschlagen. Der zukünftige Johannes Paul II. hat sich an sie immer als leidende aber immer äußerst hartnäckige, liebevolle und mutige Person erinnert. Wahrscheinlich hat Karol von ihr seine große Empfindlichkeit für menschliches Leiden gelernt.
Der Seligsprechungsprozess betrifft beide Ehepartner, aber offensichtlich getrennt…
Ja, es werden zwei getrennte kanonische Prozesse durchgeführt, die von zwei unabhängigen Tribunalen durchgeführt werden, obwohl das Thema ihres Ehelebens ebenfalls wichtig sein wird. Tatsächlich wird nur ein Wunder, das auf Fürsprache beider erlangt wurde, ausreichen, um sie zu Seligen zu deklarieren. Interessant ist es, dass der hl. Johannes Paul II. durch sein Zeugnis über seine Eltern, indirekt ein Zeuge des doppelten Seligsprechungsverfahrens wird.
Welche Zeugnisse hat Johannes Paul II. über seine Eltern hinterlassen?
Der hl. Papst sprach viel über seinen Vater, mit dem er prägende Jahre seines Lebens verbrachte. Er sagte über ihn: „Mein Vater war bewundernswert und fast alle meine Erinnerungen an Kindheit und Jugend schließen ihn ein. Die Gewalt des Wandels, den er in seinem Leben erlitten hat, hatte ihm immense spirituelle Tiefen eröffnet, so wurde aus Schmerz Gebet. Die bloße Tatsache, ihn knien zu sehen, hatte einen entscheidenden Einfluss auf meine jungen Jahre. Er forderte sich so sehr, dass er seinen Sohn nicht mehr fordern musste: Sein Beispiel reichte aus, um Disziplin und Mitgefühl zu lehren. Er war ein außergewöhnliches Wesen. Er starb ganz plötzlich während des Krieges unter der nationalsozialistischen Besatzung. Ich war noch nicht einundzwanzig Jahre alt.“
Als der zukünftige Papst 12 Jahre alt war, hörte er seinen Vater die denkwürdigen Worte sagen: „Du bist kein guter Ministrant! Du betest nicht genug zum Heiligen Geist. Du musst zu ihm beten.“ So lehrte Karol sen. seinem Sohn das Beten. Als Papst erinnerte er sich Jahre später noch daran: „Es war eine großartige geistliche Lektion für mich, die mich tiefer und nachhaltiger geprägt hat als alles, was ich mir durch das viele Lesen und die Studien erarbeitete. In gewissem Sinne schulde ich ihm die Enzyklika über den Heiligen Geist“. Johannes Paul II. War sich der Auswirkungen bewusst, die der tiefe Glaube seines Vaters auf ihn ausübte.
Der Papst hinterließ auch Erinnerungen an seine Mutter und sagte, dass sie es war, die ihm das Kreuzzeichen und das erste Gebet lehrte. „Dieses Geheimnis wurde mir von den Händen meiner Mutter beigebracht, die mir durch Falten meiner kleinen Hände zeigte, wie man das Kreuzzeichen macht, das Zeichen Christi, der der Sohn des lebendigen Gottes ist“. Emilia träumte davon, dass eines ihrer Kinder Priester und das andere Arzt werden würde. Johannes Paul II. erinnerte den französischen Schriftsteller André Frossard daran: „Meine Mutter wollte zwei Kinder: einen Arzt, den anderen Priester; Mein Bruder war Arzt und, trotz allem, wurde ich Priester.“
Kann man sagen, dass die Heiligkeit des zukünftigen Papstes in seiner Familie geboren wurde?
Es besteht kein Zweifel, dass die Spiritualität des Papstes irgendwie schon in seiner Familie geformt wurde, hauptsächlich dank des Verhaltens und des Glaubens seiner Eltern. Davon ist auch Kardinal Dziwisz überzeugt, der seit über vierzig Jahren Johannes Paul II. nahe steht und von ihm auch alle seine Erinnerungen an seinen Vater und Mutter gehört hat.
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