Bundesverfassungsgericht: Deutscher Gesetzgeber muss behinderte Menschen im Triagefall besser schützen

Ob die Entscheidung des BVerfG auch Auswirkungen auf den Schutz ungeborener behinderter Menschen haben wird, muss die Zukunft zeigen.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat jüngst in einem Urteil entschieden, dass der deutsche Gesetzgeber behinderte Menschen im Fall einer pandemiebedingten Triage besser schützen muss.

Die Beschwerdeführer, die teilweise schwerst behindert und überwiegend auf Assistenz angewiesen sind, hatten in einer Verfassungsbeschwerde argumentiert, dass der Gesetzgeber sie im Fall einer pandemiebedingten Triage nicht ausreichend vor Diskriminierung aufgrund ihrer Behinderung schütze.

Eine Triage (Sichtung, Einteilung) von Patienten ist ein im Militär und Katastrophenschutz eingesetztes System der Priorisierung medizinischer Hilfe. Es wird bei unzureichenden medizinischen Ressourcen wie beispielsweise fehlendem Personal oder Medikamenten oder einer Überzahl an Patienten angewandt und hilft bei der Entscheidung, wie die knappen medizinischen Ressourcen bestmöglich eingesetzt werden können. Ziel der Triage ist das Überleben einer möglichst großen Anzahl von Patienten mit möglichst wenig Schaden. Da behinderte Menschen im Triagefall aufgrund ihrer Behinderung eine geringere Überlebenswahrscheinlichkeit haben können, ist es möglich, dass ihnen die lebensnotwendige Behandlung versagt wird.

Das BVerfG gab den Beschwerdeführern Recht und entschied, dass der Gesetzgeber das Grundgesetz und seine Handlungspflicht verletzt habe, weil er keine Vorkehrungen getroffen hat, die behinderte Menschen im Triagefall vor Benachteiligung schützen.

Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patienschutz, begrüßte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa das Urteil: „Das hatte ich mir natürlich erhofft, aber nicht zu wünschen gewagt.“ Das Urteil werde darüber hinaus auch andere Felder mit knappen medizinischen Ressourcen betreffen, wie die Pflege und die Organspende.

Das Urteil erntete aber auch Kritik. Der Notfall- und Katastrophenmediziner Hans Anton Adams erklärte im Cicero, dass man die ethische Last der Triage-Entscheidung gesetzlich nicht regeln könne.

In Reaktion auf das Urteil des BVerfG kündigte das Bundesgesundheitsministerium gegenüber Spiegel Online an, „zeitnah“ einen Gesetzesvorschlag zu erarbeiten.

Ob die Entscheidung des BVerfG auch Auswirkungen auf den Schutz ungeborener behinderter Menschen haben wird, muss die Zukunft zeigen.

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