Mit überstürzter Eile wurde Joe Biden in den vergangenen Tagen zum designierten US-Präsidenten erklärt. Das ist nichts anderes als eine bittere Lektion in Sachen Medienverzerrung. Kein einziger amerikanischer Bundesstaat hat bisher seine Wahlergebnisse bestätigt. In den meisten Staaten dauert die Stimmenauszählung noch an. Einige Bundesstaaten werden sehr wahrscheinlich eine Neuauszählung vornehmen, weil die Ergebnisse knapp beieinander liegen. Es wurden bereits Klagen bezüglich der Rechtmäßigkeit der Stimmzettel eingereicht und im Laufe dieser Woche werden weitere juristische Schritte zur Überprüfung des Stimmauszählungssystems erwartet.
All das wird von den Medien ignoriert. Da Joe Biden bei Stimmenauszählung bisher führt, fordern sowohl die Medien als auch die Demokraten Präsident Trump dazu auf, die Wahlniederlage einzugestehen und verlangen von den Republikanern – ganz zu schweigen von den Menschen in aller Welt – sich hinter Biden zu stellen, den angeblich künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten.
Wäre bei vertauschten Rollen das Medienecho genau so groß? Wenn Präsident Trump in einigen wenigen Bundesstaaten einen Vorsprung von ein paar tausend Stimmen vor Joe Biden hätte, würden die Medien und die Demokraten dann auch Biden zum Eingeständnis der Wahlniederlage und die Demokraten zur Zusammenarbeit mit Präsident Trump auffordern? Natürlich nicht.
Die Auszählung der Stimmzettel braucht Zeit. Im Vorfeld hatten demokratische Parteibeamten in mehreren Bundesstaaten beschlossen, jedem registrierten Wähler die Wahlunterlagen per Post zuzuschicken. Das ist ärgerlich. Aber die Wahl- und Auszählungsprozedur müssen sich frei vollziehen können. Hier der aktuelle Stand der Dinge:
Nach jüngsten Zahlen von Associated Press liegt Joe Biden in mehreren wichtigen „swing states“ in Führung. Bleibt dieser Vorsprung bestehen, wird er zum neu gewählten Präsidenten. Aber noch ist er nicht der neu gewählte Präsident, obwohl Associated Press und andere Medien ihn schon so nennen.
Die Stimmenauszählung ist in einigen Schlüsselstaaten noch nicht abgeschlossen. Bidens Vorsprung in Arizona ist nunmehr auf rund 17.000 Stimmen geschrumpft, zuvor waren es über 90.000 Stimmen. Mehr als 70.000 Stimmzettel bleiben noch unausgezählt. Sollte Biden am Ende Arizona verlieren, würden seine prognostizierten 290 Stimmen im Wahlkollegium auf 279 sinken, während Trump 11 Stimmen hinzugewinnen würde. Im Bundesstaat Wisconsin, der Medienberichten zufolge an Biden geht, wird es wahrscheinlich eine Neuauszählung geben. Solange die Auszählung nicht abgeschlossen ist, nimmt Bidens Stimmenzahl um 10 Wahlmänner ab und fällt somit unter die für den Wahlsieg erforderlichen 270 Stimmen. In Georgia, wo Biden mit rund 10.000 Stimmen an der Spitze liegt, ist eine Neuauszählung so gut wie sicher. Aufgrund einer „Computerpanne“ wurden Joe Biden fälschlicherweise sogar etwa 7.000 Stimmen zuerkannt, die eigentlich für Präsident Trump abgegeben worden waren. Angeblich wurde der Fehler behoben und die Stimmenauszählung korrigiert, aber dasselbe System kam auch in zahlreichen anderen Wahlbezirken Georgias sowie in anderen Bundesstaaten zum Einsatz. Der Gewinner der Neuauszählung wird die 16 Stimmen der Wahlmänner in Georgia erhalten. In Pennsylvania, wo Biden mit rund 45.000 Stimmen vorne liegt und ihn die Medien bereits zum Sieger erklärt haben, ist derzeit eine größere Auseinandersetzung um provisorische Stimmzettel im Gange (siehe die Diskussion weiter unten.) Hinzu kommt der beim Obersten Gerichtshof eingereichte Rechtsstreit hinsichtlich Tausender Stimmzettel, die ausgezählt wurden, obwohl sie nach dem Wahltag eingetroffen waren und daher gegen bundesstaatliche Gesetze verstoßen. Unterdessen führt Trump weiterhin in North Carolina, und man fragt sich, warum die Medien zögern, diesen Bundesstaat Trump zuzurechnen. Sobald die Auszählung in North Carolina abgeschlossen ist, wird er die 15 Stimmen der Wahlmänner erhalten. Trump hat einen riesigen Vorsprung in Alaska – doppelt so viele Stimmen wie Biden – und mit Sicherheit wird er die 3 Stimmen des Wahlkollegiums dieses Bundesstaates für sich gewinnen. (Abermals: Weshalb wird Trump nicht als Sieger in dem Bundesstaat, der mit 62% für Präsident Trump abgestimmt hat, ausgerufen?)
Abgesehen davon, dass man die Auszählung aller Stimmzettel abwarten muss, bevor man einen Gewinner verkünden kann, stehen noch eine Menge aktueller und möglicherweise gerichtlicher Streitfragen ungelöst im Raum. Allein in Pennsylvania sind ein halbes Dutzend wichtiger Gerichtsverfahren anhängig. Werfen wir einen Blick darauf:
Wie bereits erwähnt, erklärten die Richter des Bundesstaates Pennsylvania, dass auch binnen drei Tage nach der Wahl eingetroffene Briefwahlstimmen ausgezählt werden können, sofern sie bis zum Wahltag abgestempelt worden seien. Dies verstößt gegen die Statuten des Bundesstaates Pennsylvania. Der Oberste Gerichtshof der USA lehnte, mit einem 4 zu 4 Votum, eine Entscheidung dazu vor dem Wahltag ab, ordnete jedoch eine getrennte Aufbewahrung dieser Stimmzettel an, damit sie eventuell von der Stimmenauszählung ausgeschlossen werden können. Da Amy Coney Barrett nun ein vollberechtigtes Mitglied des US Supreme Court ist, hoffen die Republikaner auf ein zu ihren Gunsten lautendes Urteil.
Zudem existiert in Pennsylvania eine Praxis, der zufolge Wähler „provisorische Stimmzettel“ am Wahltag abgeben können, auch wenn sie sich im Wahllokal nicht ordnungsgemäß ausweisen können. Das Gesetz gibt den Wählern bis zum 9. November Zeit, ihre Stimmzettel gegen Vorlage eines amtlichen Ausweises zu „validieren“. Die Innenministerin des Bundesstaates, eine Demokratin, kündigte an, diese Frist um drei Tage bis zum 12. November zu verlängern, doch ein staatlicher Richter ordnete an, diese Stimmzettel auszusortieren bis über diese Frage entschieden sei.
In einem anderen Gerichtsverfahren in Pennsylvania geht es um Wähler, die am Wahltag einen provisorischen Stimmzettel abgegeben haben, obwohl sie bereits zuvor per Briefwahl gestimmt hatten. Offensichtlich sind einige Demokraten der Meinung, man solle beide Stimmzettel auszählen.
In mindestens zwei schwebenden Verfahren wird von republikanischen Wahlbeobachtern Anklage erhoben, da ihnen jedwede ernsthafte Möglichkeit zur Einsicht in die Stimmauszählung verweigert wurde, was einen Gesetzesverstoß darstellt.
In Arizona behauptet die Trump-Kampagne, Tausende Stimmen für Trump seien annulliert worden, nachdem einige Wahlhelfer Wähler dazu aufforderten, einen grünen Knopf zu drücken, da die Wahlcomputer ein Problem bei der Stimmabgabe festgestellt hätten. Dadurch wurde ihre Stimme für Trump gelöscht.
Auch in Michigan wurden Klagen eingereicht, zumal die Republikanische Partei nicht ausreichend Zugang zu den Stimmauszählungen bekommen habe.
In Nevada hat das Trump-Team Beschwerde gegen die illegale Stimmabgabe von mehr als 3.000 Wählern eingelegt, da diese nicht mehr dort wohnhaft und somit nicht wahlberechtigt waren. Darüber hinaus behaupten zahlreiche Trump-Anhänger, ihre Briefwahlzettel seien gestohlen und von jemand anderem abgegeben worden. Dies wurde nur aufgedeckt, weil sie persönlich in den Wahllokalen auftauchten, um ihre Stimme abzugeben.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass im Laufe der Woche weitere Rechtsstreitigkeiten hinzukommen werden. Viele Trump-Anhänger führen all die vonstattengehenden vermeintlichen Wahlfehler an oder sprechen schlicht von Wahlbetrug als Beweis dafür, dass Donald Trump der Wahlsieg entrissen wird. Genau das behauptet in der Tat Präsident Trump selbst. Entscheidend ist, dass sich die rechtlichen Verfahren fair und unabhängig vollziehen können und das Trump-Team seine Argumente vor Gericht vorbringen kann.
Gleichzeitig muss man aber auch anerkennen, dass ein Rechtsstreit nur auf Basis von Beweisen entschieden werden kann. Trumps Wahlkampfkomitee obliegt die Beweislast, d.h. sie müssen die Beweise für Betrug, Amtsmissbrauch oder illegale Handlungen erbringen. Ferner müssen sie nachweisen, dass Umfang und Ausmaß derartiger Aktivitäten den Wahlausgang in einem bestimmten Staat verfälscht haben. Beispielsweise ist der Beweis, dass etwa 3.000 nicht wahlberechtigte Personen in Nevada gewählt haben, nicht ausreichend, denn in Nevada liegt Trump mit über 36.000 Stimmen zurück. Selbst wenn man alle angeblich unzulässigen Stimmen Trump anrechnen würden, würde dies am Endergebnis nichts ändern.
Apropos Beweise: Es ist besorgniserregend, wie viele Konservative in Internet-Memes, die gespickt sind von Fehlinformationen über angebliche Verschwörungen bei den Wahlen, angegriffen werden.
In einer im Internet verbreiteten Behauptung geht es um die Auszählung von Stimmzetteln, bei denen ein geheimes Wasserzeichen fehlt, das angeblich vom Heimatschutzministerium (Department of Homeland Security, DHS) gedruckt worden sein soll. Das DHS hat jedoch nichts mit dem Druck von Stimmzetteln zu tun. Diese werden von den einzelnen Staaten gedruckt.
Berechtigt und völlig verständlich sind die Bedenken im Zusammenhang mit der im Bundesstaat Georgia verwendeten Wahlsoftware, die fälschlicherweise 7.000 Stimmen für Biden zählte; dabei waren sie in Wirklichkeit für Trump abgegeben worden. Das ist ein schwerwiegendes Problem und muss gründlich untersucht werden, da dieselbe Software in vielen anderen Wahlbezirken Georgias und in einer Reihe anderer Bundesstaaten zum Einsatz kam. Offizielle Vertreter Georgias sprachen von einer „Panne“, die behoben worden sei. Natürlich muss dies in jedem Gerichtsbezirk, in dem die Software verwendet wurde, genauestens untersucht werden und ich gehe davon aus, dass Trumps Funktionäre und bundesstaatliche Wahlbeamte genau dies tun. Bis jetzt ist kein anderer Fall bekannt geworden und die in Georgia aufgetretene „Panne“ scheint sich nirgendwo wiederholt zu haben. Trotzdem behaupten Verschwörungstheoretiker im Internet, dass überall, wo diese Software verwendet wurde, die Wahlergebnisse manipuliert worden seien.
Weitere Zweifel an der Wahl kamen infolge eines Steve Bannon-Podcasts am Wahltag auf. Darin behauptete ein pensionierter General, er habe Informationen über eine massive Verschwörung, die mithilfe eines Supercomputers namens „Hammer“ und eines Computerprogramms namens „Scorecard“ durchgeführt würde. Diese seien dazu bestimmt, Wahlstimmen zu manipulieren bzw. zu erzeugen. Angeblich wurde dieses System von der CIA entwickelt und zur Beeinflussung von Wahlergebnissen im Ausland genutzt, jedoch sei es bei den US-Präsidentschaftswahlen 2020 von unbekannten Akteuren eingesetzt worden. Die prominente Trump-Anhängerin und Rechtsanwältin Sidney Powell behauptete gestern, das Computerprogramm habe möglicherweise 3% aller Stimmen manipuliert und Algorithmen ausgeführt, um die von Biden zum Sieg benötigte Stimmenanzahl in Schlüsselstaaten wie Michigan zu berechnen.
Frau Powell deutete in einem Fernsehinterview am vergangenen Sonntag an, das US-Justizministerium untersuche bereits die „Scorecard“-Vorwürfe. Hoffentlich ist dem so. Aber auf den ersten Blick weist das Thema einige schwer zu glaubende Punkte auf. Zum einen soll der Entwickler sowohl des Supercomputers als auch des Scorecard-Programms, Dennis Montgomery, ein Trump-Anhänger sein. Wenn das wahr ist, warum hat er sich dann nicht gemeldet, um zu bestätigen bzw. zu leugnen, dass sein Programm in der Lage ist, die ihm nachgesagten Operationen umzusetzen? Darüber hinaus stand Montgomery in der Vergangenheit im Mittelpunkt so manch dubioser Meldung. Er behauptete zum Beispiel, Computerprogramme entwickelt zu haben, die in der Lage seien, Nachrichten aus der Berichterstattung des TV-Senders Al Jazeera zu filtern, die für Al-Kaida-Schläferzellen bestimmte waren. Diese Behauptung zog millionenschwere Aufträge mit der Bundesregierung nach sich, jedoch keinen Nachweis terroristischer Botschaften. Andere strittige Aussagen, aufgrund derer Montgomery lukrative Vertragsabschlüsse mit der Bundesregierung erzielen konnte, betrafen Computerprogramme zur Gesichts- und Waffenerkennung von Terroristen anhand von Drohnenaufnahmen und Software zur Identifizierung von Tiefsee-U-Booten. Während er auf der Gehaltsliste der Regierung stand, soll Montgomery gleichzeitig hohe Spielschulden in den Kasinos von Nevada angehäuft haben.
Auch in diesem Fall hoffe ich, dass Generalstaatsanwalt Bill Barr den Vorwürfen sofort nachgeht, auch wenn sie noch so weit hergeholt scheinen. Das letzte, was unsere Nation (und ebenso die Welt) braucht, ist eine neue Internet-Verschwörungstheorie, die manche Menschen möglicherweise zu ihrem Vorteil nutzen könnten.
Wo führt uns all das hin?
Zu einer noch immer nicht entschiedenen Präsidentschaftswahl. Kein einziger Bundesstaat hat bisher die Stimmenauszählung abgeschlossen oder die Wahlergebnisse bestätigt. Momentan sieht es so aus, dass Joe Biden in vielen Bundesstaaten vorne liegt; sofern dieser Vorsprung auch nach endgültiger Auszählung bestehen bleibt und keine unvorhergesehenen rechtlichen Entwicklungen eintreten, wird er der neue Präsident der Vereinigten Staaten werden. Aber gegenwärtig ist er das noch nicht.
Jetzt kommt es darauf an, den Vorgang der Stimmauszählung ordnungsgemäß zu Ende zu führen. Dazu gehört auch, alle rechtlichen Schritte anhand von Beweisen und kraft des Gesetzes zu prüfen und darüber zu entscheiden. Dazu sollte auch gehören, das Vertrauen der Bürger in die Institutionen zu stärken, indem man keine noch so verrückte Internet-Verschwörung ungeprüft lässt, bevor diese unnötige Hirngespinste erzeugt.
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