Mit Digitalisierung des Bewusstseins den Tod überwinden? Eine Illusion enttarnt

Der moderne „Mythos“ des ewigen Lebens mittels Transhumanismus ist zum Scheitern verurteilt

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Um die weit zurückliegenden anthropologischen Wurzeln der Theorie des zeitgenössischen Transhumanismus zu verstehen, muss man auf Giovanni Pico della Mirandola (1463-1494) verweisen. Doch ist es hilfreicher, sich auf die Weisheiten von Gianbattista Vico (1668-1744) zu berufen, sucht man nach dem Schlüssel zur Interpretation des interessanten und stetig wachsenden Phänomens der Science-Fiction-Narrative, die von den mehr oder weniger technologisch erfolgreichen Versuchen handelt, das „eigene Bewusstsein“ in digitaler Form auf verschiedenartiges Trägermaterial hochzuladen. Ziel ist es, die Persönlichkeit eines Menschen, der an einer unheilbaren Krankheit leidet oder kurz vor dem Tod steht, zu konservieren um derart, die Angehörigen über den Tod des zukünftigen Verstorbenen hinwegzutrösten und dem Tod ein Schnippchen zu schlagen.

Der Android als Trostpflaster

In einer Folge der britischen Serie Black Mirror aus dem Jahr 2013 mit dem Titel Be Right Back geht es um die Möglichkeit, ein künstliches Individuum zu „rekonstruieren“: Alle digitalen Daten wie Videos, Fotos, Telefongespräche und jegliche Art von Social Media-Aktivitäten, die der Tote zu Lebzeiten hatte, werden verwendet, um einen Bot zu erschaffen, der die Persönlichkeit des Toten nachahmt. Das geht soweit, den Bot schließlich in einen synthetischen Menschenkörper hochzuladen. Das damit verbundene Ziel ist offensichtlich, Trost zu spenden: Ein synthetisches Artefakt soll den Schmerz des Verlustes lindern, ohne jedoch vorzugeben, den verstorbenen Menschen am Leben zu erhalten. Die Zweifel am Erfolg eines solchen Unterfangens werden in der Handlung der Episode deutlich. Eine computersimulierte Illusion, die die Schranke des Todes durchbrechen soll, ist nicht mehr nur eine Vorstellung, sondern ist inzwischen schon Realität geworden, wie von iFamNews berichtet. Im Laufe der Zeit sind wir zu weit gegangen.

Der synthetische Mensch und das digitalisierte Bewusstsein

2015 wurde ebenfalls in Großbritannien die erste Folge der Serie HumⱯns ausgestrahlt, die wiederum ein Remake der schwedischen Serie Äkta människor ist. Die Handlung dreht sich um Themen rund um die künstliche Intelligenz. Menschenähnliche Roboter, Synths genannt, werden für gewöhnlich zur Erledigung „niederer“ Arbeiten eingesetzt, als Arbeiter, Pfleger, Hausangestellte, Postboten. Zu Beginn analysiert man, wie sich das Zusammenleben mit solchen Androiden auf die Menschen auswirkt. So wird ein auffälliges Phänomen bei Kindern und Jugendlichen festgestellt, die beginnen, die Verhaltensweisen und sogar das Aussehen der Synths nachzuahmen. Die Synths werden dem Menschen als überlegen angesehen, weil sie „freundlicher“ und zumindest dem Anschein nach frei von inneren Konflikten sind.

Ein erster Wendepunkt erfolgt, als man entdeckt, dass es unter den Synths Exemplare mit einem „Bewusstsein“ gibt, sprich die sich ihrer eigenen Existenz bewusst sind und „wie die Menschen“ Empfindungen und Gefühle wahrnehmen können. Da sie „Freude“ und „Schmerz“ empfinden, könne man sie faktisch mit menschlichen Wesen gleichstellen und ein Gerichtsverfahren zur Anerkennung der „Rechte der Synths“ einleiten.

Die Möglichkeit, die Synths mittels eines Upgrades „aufzuwecken“ und somit zu „vermenschlichen“, hat zur Folge, dass man ausgehend von Erinnerungen die „Persönlichkeit“ eines verstorbenen oder sich in einem irreversiblen Koma befindenden Menschen in einen synthetisches Körper überträgt. So strebt das große multinationale Unternehmen Qualia als ersten wirtschaftlichen Erfolg die Produktion von Kinder-Synths an: diese werden mit einem „digitalisierten Bewusstsein“ ausgestattet und sind als „Ersatz“ gedacht, um Familien, die mit dem Verlust eines Kindes zu kämpfen haben, Trost zu spenden.

Die Fantasie kennt keine Grenzen: es soll nicht einfach eine „digitale Simulation“ auf der Grundlage der zu Lebzeiten gesammelten Daten erzeugt werden, sondern eine neue Persönlichkeit erschaffen werden. Dies geht so weit, dass – Achtung Spoiler – eine Wissenschaftlerin versucht, ihrer Tochter, deren Bewusstsein in einem Datenarchiv „gefangenen“ ist, einen echten Körper zu geben. Doch sie gibt auf, als sie erkennt, dass das digitale Bewusstsein nicht mehr die tote Tochter, sondern eine völlig neue „Person“ ist, die sich aus Erinnerungen und vorgefertigten Vorstellungen entwickelt hat und nun eine eigene „andere“ Identität besitzt.

Sehr ähnlich ist die Handlung der aktuellen Serie Archive: Ein Computeringenieur arbeitet an dem Versuch, eine künstliche Intelligenz in einen Roboterkörper zu übertragen und zwar mit dem Ziel, seine verstorbene Frau wieder zu sehen. Dabei wird das Bewusstsein des Verstorbenen auf einem analogen Medium „archiviert“, um „Videogespräche“ zwischen dem Lebenden und dem Verstorbenen nach dessen Tod zu ermöglichen. Das Archiv ist jedoch zeitlich auf drei Jahre begrenzt und geht nach und nach kaputt, so dass der „Kontakt“ zunehmend schwieriger und von Störungen unterbrochen wird. Zudem ist sich der Verstorbene nicht komplett seines Zustandes bewusst.

Upload des Bewusstseins: Ein synthetisches Paradies

Die Digitalisierung des Bewusstseins steht auch im Mittelpunkt der im März erschienenen US-Serie Upload. Es geht darin um die Möglichkeit, im Angesicht des bevorstehenden Todes das eigene Bewusstsein in ein „digitales Jenseits“ hochzuladen, wo man in einer digital generierten Umgebung mit mehr oder weniger Komfort weiterlebt, je nachdem wie viele Gigabytes man sich leisten kann: vom 2 Gigabyte-Ghetto – eine Art Gefängnis bzw. psychiatrische Klinik – bis hin zum super-luxuriösen Lake View-Traumhaus. Es geht nicht nur darum, den Hinterbliebenen Trost zu spenden, im Gegenteil. Das Ganze ist dazu gedacht, die eigene Existenz zu „verewigen“ und über den Tod des biologischen Körpers hinaus zu ermöglichen: eine Variante des Traums von der Unsterblichkeit. Auch Black Mirror hatte sich bereits in einer eindrucksvollen Folgen mit diesem Thema beschäftigt: San Junipero, die vierte Episode der dritten Staffel, ist leider nur dafür bekannt, das erste gleichgeschlechtliche Paar der Serie darzustellen.

Die Serie zeigt das – in der ersten Staffel noch gescheiterte – Experiment, das menschliche Bewusstsein herunterzuladen, um es anschließend erneut in einen Körper hochzuladen. Doch scheint das rein digitale Paradies, auch wenn es erlaubt, die unterschiedlichsten schönsten Empfindungen auszuprobieren, dennoch nicht ausreichend zu sein. Insbesondere die Beziehung zwischen den lebendigen und den „hochgeladenen“ Menschen ist schwierig, trotz der Möglichkeit von „Besuchen“ und Begegnungen, die fast „realistischer sind als die Wirklichkeit“.

Zwischen Mythopoiesis und Hoffnung

An dieser Stelle ist es unerlässlich, Giambattista Vico ins Spiel zu bringen, für den die mythische Darstellung der Welt – davon ausgehend, dass die erwähnten Filme und Fernsehserien maßgebliche Beispiele für eine Art „moderne Mythologie“ sind – einer Welt, die bereits aus anderen Erzählung bekannt ist, keine radikal neue Bedeutung hinzufügt, sondern „die menschliche Welt selbst mit ihrer Geschichte ausmacht“, so Francesco Botturi, Philosoph und Anhänger von Vico.

Wenn man versucht, Vicos Hermeneutik auf die mehr oder weniger auf Science-Fiction beruhenden Szenarien anzuwenden, erkennt man, wie der Anthropomorphismus der klassischen Mythologie – der von Donner und Blitz erfüllte Himmel, der den herrschenden Gott darstellt und somit eine Bedeutung der Welt wiedergibt, die jenseits des Umfangs an Wissen der Zeit liegt – durch eine radikal neue Form des Anthropomorphismus ersetzt wird.

Der moderne „Mythos“ – der von diesen Erzählungen, die inzwischen sowohl formal als auch inhaltlich die Gutenachtgeschichten sowohl für Erwachsene als auch für Kinder ersetzt haben, aufgegriffen wird – ist „wahr“, weil er „die – wahrgenommenen und erdachten – Elemente der Erfahrung in einer Erzählung verbindet, in der die Interaktion des Menschen mit der ihn umgebenden Wirklichkeit konkrete Gestalt annimmt“. Der Mensch, der mit seiner Phantasie anthropomorphe Bilder erzeugt, erkennt und äußert mehr, als er weiß.

Als die Menschen die Gesetze der Physik nicht kannten, stellten sie sich einen wütenden Gott vor, der Blitze auf die Erde schleudert. Der Mensch hat erklärtermaßen jeden Bezug zur Transzendenz eliminiert und beherrscht die Gesetze – oder glaubt zumindest, sie zu beherrschen – Gesetze, die nicht nur die Materie, sondern auch das Bewusstsein bestimmen. Er stellt sich „engelhafte Wesen“ vor (nicht umsonst werden die Kinder-Androiden, die als Ersatz für die verstorbenen Kinder geschaffen wurden, „Seraphim“ genannt), die irgendwie in der Lage sind, das Leben zu verlängern und die Schranken des Todes zu durchbrechen.

Diese anthropomorphen Geschöpfe, die fähig sind wie Menschen zu „fühlen“, wie Menschen Emotionen zu „empfinden“ und sogar in der Lage sind, als Trägermaterial den echten Geist des Menschen in sich zu speichern – den die offensichtlich reduktionistische Anthropologie nur als eine Summe von Erinnerungen und „Neigungen“ der Persönlichkeit ansieht; Scheinbilder der „Göttlichkeit“, die nicht am Ursprung des Sinns des Lebens und Todes stehen –  kompensieren das Fehlen dieses Sinns und dieser Bedeutung mit einer künstlichen „Unvergänglichkeit“.

Eine wichtige Frage, die oft in Szenarien dieser Art gestellt wird, bleibt offen. „Wollen wir das eigentlich – ewig leben?“. Wollen wir im Dasein „ausharren“ wie in der mythologischen Darstellung der Serien Upload, HumⱯns, Archives, oder einfacher gesagt: „Einerseits wollen wir nicht sterben, will vor allem auch der andere, der uns gut ist, nicht, dass wir sterben. Aber andererseits möchten wir doch auch nicht endlos so weiterexistieren“. Die Frage, die Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika Spe Salvi aus dem Jahr 2007 treffend formuliert hat, ist ein sehr wichtiger und hoch aktueller Aufruf: „Was bedeutet ‘Ewigkeit’ eigentlich?“

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