Seit mehr als 500 Tagen stehen sie vor dem Regierungsgebäude. Der Protest hält ununterbrochen an, Tag und Nacht, selbst während des Coronavirus-Lockdowns. Wir befinden uns in Seoul, Südkorea, wo vor rund zwei Jahren eine Überarbeitung der Abtreibungsgesetzgebung beschlossen wurde. Gegenwärtig sind Schwangerschaftsabbrüche verboten außer in Fällen von Vergewaltigung, Inzest, schwerer Erbkrankheit des ungeborenen Kindes oder Gesundheitsgefährdung der Mutter. Laut Beschluss des Verfassungsgerichts muss dieses Gesetz jedoch bis Ende 2020 geändert werden.
Demnach soll das Abtreibungsgesetz gelockert werden, doch die katholische Bevölkerung ist dagegen und geht dafür auf die Straße. Ein erster Weckruf kam von Pater Hugo Park Jung-woo, Generalsekretär des Komitees für das Leben der Erzdiözese Seoul, der in einem Interview erklärte: „Wir können unsere Stimme erheben, um neue Gesetze und Maßnahmen voranzutreiben, die Frauen dabei helfen, sich für das Leben und gegen die Abtreibung zu entscheiden. Das ist unsere Strategie“.
Verbündete: Pro-Life Bewegung und katholische Kirche
Da eine Gesetzesänderung nunmehr unvermeidlich ist, verfolgen die katholische Kirche und Abtreibungsgegner in Südkorea das gemeinsame Ziel, eine Überarbeitung zugunsten des Lebensschutzes zu erreichen, d.h. selbstverständlich das Leben aller Menschen zu schützen, aber insbesondere das der Schwächsten und Hilflosesten: der ungeborenen Kinder.
Die Erzdiözese Seoul geht vereint und mit Entschiedenheit in die Debatte. Über deren Engagement für den Lebensschutz berichtet die katholische Nachrichtenagentur CNA. Eine achtköpfige Bischofsdelegation besuchte das Blaue Haus, die Residenz des südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-In, mit der Forderung, das neue Gesetz solle Frauen, die sich zur Abtreibung gezwungen sehen, mehr Unterstützung garantieren: Frauen müssen wissen, dass es Alternativen zur Abtreibung gibt und dass sie sich nicht allein einer ungewissen Zukunftssituation stellen müssen. Darüber hinaus verlangen sie, dass die biologischen Väter zur Verantwortung gezogen werden und Mutter und Kind finanziell unterstützen müssen. Auch sollen Frauen, die Möglichkeit haben, ihre Kinder anonym zur Welt zu bringen und sie dann zur Adoption freizugeben anstatt sie abzutreiben. In der Tat herrscht im Land noch immer eine Mentalität vor, durch die Frauen, die unverheiratet schwanger werden, an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Merkwürdig, aber nicht neu, ist allerdings das Stillschweigen der Feministinnen angesichts dieses Frauenbilds: Ein Mann kann eine Frau als Objekt der Begierde benutzen, diese ist dann aber zur Abtreibung gezwungen, wenn sie einer gesellschaftlichen Verurteilung entgehen will.
Wie so oft ist auch in diesem Fall die Frau auf sich allein gestellt und einer enormem Belastung ausgesetzt, denn von den finanziellen, körperlichen und seelischen Folgen des Schwangerschaftsabbruchs ist der Mann in keinster Weise betroffen. Dies hat auch James Sang-Hyun Shin, Mediziner und Glaubensbruder der Kkottongnae-Ordensgemeinschaft, öffentlich angeprangert: „Die Änderung des Gesetzes bedeutet, dass sich die koreanische Regierung ihrer Pflicht zum Schutz ungeborenen Lebens entzieht“. Er fügt hinzu: „Dies wird unweigerlich zu einer lebensverneinenden Kultur führen. Viele Frauen werden für den Rest ihres Lebens die traumatischen Konsequenzen der Abtreibung tragen müssen.“
Legale Abtreibung und bedrohte Freiheit
Von der Gesetzesänderung bedroht ist auch die Gewissensklausel, d.h. die Verweigerung aus Gewissensgründen, wie Courtney Mares, eine Journalistin des CNA, berichtet: Sollte das Gesetz im Sinne der Abtreibungsbefürworter überarbeitet werden, wären praktisch alle Ärzte – ungeachtet ihrer Überzeugungen – dazu verpflichtet, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Wer sich weigert, riskiert sogar den Arbeitsplatz zu verlieren. Auch aus diesem Grund steht die Pro Life-Bewegung in ständigem Kontakt mit der katholischen Kirche, die Shin dazu auffordert, „sich für die Schaffung eines Klimas stark zu machen, in welchem sich eine Frau für das Austragen der Schwangerschaft und gegen die Abtreibung entscheidet.“
Ein erstaunliches Unterfangen, wenn man bedenkt, dass sich von den 51 Millionen der südkoreanischen Einwohner lediglich 5 Millionen zum Katholizismus bekennen. David gegen Goliath.
Auch die Pro-Life-Vereinigung der Studenten ist aktiv geworden und hat Msgr. Alfred Xuereb, dem apostolischen Nuntius in Korea, einen akkuraten Bericht über die aktuelle Situation im Land vorgelegt. Sie hoffen, dass das bereits ins Italienische und Englische übersetzte Dossier so schnell wie möglich auf dem Schreibtisch von Papst Franziskus landet, so dass der Vatikan eingreifen und die Verabschiedung eines todbringenden Gesetzes abwenden kann.