Im Schützengraben gegen COVID-19: Bericht aus der Lombardei, Italien

Ich hoffe, dass kein New Yorker jemals die Erfahrung durchleben muss, die wir gerade in Italien erleben.

Last updated on März 27th, 2020 at 09:12 am

Liebe Freunde,

Ich berichte aus dem Schützengraben. Hier in der Lombardei, in Italien, befinden wir uns an vorderster Front eines Krieges. In den vergangenen Wochen waren wir allein. Die internationale Presse hat uns verspottet: So hat die New York Times zum Beispiel diesen Artikel veröffentlicht, der unser Land mit unverhohlener Verachtung behandelt.

Ich kann nur eines sagen: Ich hoffe, dass kein New Yorker jemals die Erfahrung durchleben muss, die wir gerade in Italien erleben.

Der tief in unseren Städten und Provinzen verwurzelte Glaube ist eine Quelle von Trost und Beistand. Leider sind Solidarität und Hilfe, die wir Italiener uns aus Europa und aus Übersee erhofft hatten, jedoch ausgeblieben. Trotz allem wird unsere Freundschaft nicht geschwächt, sondern gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, aus dieser schleichenden Seuche, die für die gesamte Menschheit zur Bedrohung und zum täglichen Kampf geworden ist.

Die in der Lombardei und in allen Regionen Norditaliens getroffenen Vorsichtsmaßnahmen beeinflussen und beschränken jeglichen Aspekt zwischenmenschlichen Zusammenlebens: Wir müssen zu Freunden und Familienmitgliedern einen Meter Abstand halten. Dies wirkt sich auf eine der grundlegenden menschlichen Eigenschaften aus, unser natürliches Bedürfnis nach sozialem Kontakt. Als Katholik hat mich dieser Umstand auf andere Weise getroffen: In Italien, das mehr als einmal Hungersnot und Seuchen erlitten hat, sind alle öffentlichen Gottesdienste ausgesetzt worden. Dadurch wird eine andere Form von Beziehung beeinträchtigt, die für mich am wichtigste: die Verbindung, die ich zu Jesus Christus spüre. Aber hat dieses zwangsverordnete  „Fasten“ nicht nur Schwermut zur Folge sondern auch eine zunehmende Hingabe, welche die Menschen dazu anregt, in offene Kirchen zu gehen und vor dem Tabernakel zu beten.

Da in der Lombardei die Jungfrau Maria besonders verehrt wird und es zahlreiche Marienheiligtümer gibt, haben wir diese Krise als einen Aufruf gesehen, den Rosenkranz zu beten und um ein Ende des Coronavirus-Ausbruchs zu bitten. Dies sind einige Zeichen der Hoffnung.

Angesichts der auferlegten Freiheits- und Bewegungseinschränkungen der Regierung ist es nicht einfach, zu Hause eingesperrt zu leben. Es ist eine schwierige und sorgenvolle Situation, quasi ein Leben im Schützengraben: Leben in einem Krieg gegen einen außergewöhnlichen und neuartigen Virusausbruch. Seit Wochen warten wir jeden Abend bei Sonnenuntergang auf die offiziellen Daten. Und täglich steigt die Zahl der Todesfälle, insbesondere in der Lombardei und anderen Regionen Norditaliens. Zwar sind wir besorgt über die steigende Zahl von Infektionen, doch machen uns die Zahlen der Geheilten Hoffnung. Zum jetzigen Zeitpunkt beträgt die Zahl der Infizierten in Italien mehr als 24.700, die Todesfälle belaufen sich auf fast 1.900 und etwa 2.400 Personen wurden geheilt. In der Lombardei sind 10.100 Menschen infiziert und 1.300 gestorben.

Ich berichte aus Saronno, einer Stadt in der Provinz Varese. Saronno ist ein Ort voller betriebsamer Einwohner, „Self-made“-Menschen, Handwerkern, Kleinunternehmern und Genossenschaften. In der Vergangenheit haben all diese Dinge dazu beigetragen, ein Solidaritätsnetzwerk zur Unterstützung der Wirtschaftskraft und des Aufschwungs zu schaffen. Doch nun sind die Straßen leer. Es scheint wie im August, wenn sich die Gegend leert und die Einwohner in den Urlaub fahren. Aber wenn die Menschen dem Konsum und der Marktwirtschaft weniger ergeben sind, sind sie nicht weniger Gott ergeben; Und letztlich wird das Heil der Menschen, das Wohlergehen der Seelen nicht von Lebensmittelvorräten und von der Börse abhängen, sondern von Herz und Verstand.

Einer unserer besten lombardischen Schriftsteller, Alessandro Manzoni, verfasste 1827 Die Verlobten. Er schrieb über die Liebe zwischen Renzo und Lucia, über ihre problematische Verlobung und Ehe zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Die Erzählung gewährt einen echten Einblick in die Großartigkeit, die Treue und die aufopferungsvolle Liebe; Attribute, die für unsere Region bezeichnend sind. In den Kapiteln 31-33 beschreibt Manzoni eine Seuche, die zu Lebzeiten der Hauptfiguren grassierte und die Ähnlichkeit mit dem heutigen Geschehen aufweist. Ärzte setzen sich dem Tod aus, um Leben zu retten und sich um Infizierte zu kümmern. Derart verhalten sich die Ärzte jetzt, mutig. Ganz im Gegensatz zu den lügnerischen und beleidigenden Berichten der internationalen Mainstream-Medien über Ärzte, die entscheiden wen sie behandeln und wen sie sterben lassen.

Die menschenleeren Straßen, Freunde, die beim Aufeinandertreffen Abstand halten müssen und sich nur zuwinken können, das Hamstern von Lebensmitteln: all dies ist beunruhigend. Andererseits verbringen wir auch mehr Zeit zu Hause bei unseren Familien. Auf diese Weise bekämpfen wir im Kampf gegen das Coronavirus auch ein anderes Übel, nämlich Konsumdenken und Globalismus. Italiener stellen sich an ihre Fenster und singen ihre Nationalhymne, sie zünden Kerzen an, um sich gegenseitig zu ermutigen. Oder sie singen Loblieder auf den Herrn und zünden eine Kerze an, als Zeichen der Hoffnung auf Gott. Falls Sie Freunde oder Familie in Italien haben, vor allem im Norden, dann melden Sie sich bei ihnen: Zeigen Sie ihnen Ihre Nähe, Ihr Mitgefühl. Wenn es Ihnen möglich ist, schicken Sie Spenden oder Hilfspakete, mit denen Sie einsame und arme Menschen unterstützen. Was auch immer Sie tun, vergessen Sie uns nicht: Wir brauchen Ihre Unterstützung, denn wir sind entschlossen, weiter zu kämpfen, mit Haltung und Stärke, mit schmutzigen Händen und mit hoch erhobenem Haupt.

Liebe Freunde, ganz gleich welche Schwierigkeiten uns im Leben begegnen, selbst derartig gravierende wie gerade jetzt, so wissen wir, dass es immer Hoffnung gibt: dass die göttliche Vorsehung uns helfen wird.

Dieser Brief ist eine Gelegenheit für mich – und ich hoffe, dies wird es auch für Sie alle sein – meine zuversichtliche Gewissheit zum Ausdruck zu bringen. Gott segne die USA, und möge Er Italien in diesen schwierigen Zeiten beistehen.

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