Last updated on März 27th, 2020 at 09:16 am
Das Verbot einer geschäftsmäßigen Sterbehilfe verstoße gegen das Grundgesetzt: Diese Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Mittwoch erlassen. Der Paragraph 217 des StGB wurde somit aufgehoben und für nichtig erklärt.
Das Tor zur Selbsttötung ist geöffnet: das Bereitstellen von tödlichen Pillen ist nun erlaubt. Nicht nur unheilbar Kranke, sondern jeder, habe das Recht auf „selbstbestimmtes Sterben“ erklärte Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle. Es bleibt dem Gesetzgeben überlassen, die Suizidhilfe zu regulieren.
„Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben ist nicht auf fremddefinierte Situationen, wie schwere oder unheilbare Krankheitszustände oder bestimmte Lebens- oder Krankheitsphasen bestimmt. Es besteht in jeder Phase menschlicher Existenz,“ so Voßkuhle.
„Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen,“ Voßkuhle weiter.
Extremfälle sterbekranker Menschen oder körperlich stark behinderter Menschen gelten als Ausnahmefälle, die angeführt werden, um Euthanasie zu legalisieren. In den Niederlanden, Belgien, Luxembourg und Kanada ist aktive Sterbehilfe legal, Tötung auf Verlangen (assistierter Suizid) ist in der Schweiz nicht strafbar.
Problematisch wird es in der Diskussion um Euthanasie, wenn differenziert werden muss zwischen „lebenswürdigem“ und „lebensunwürdigem“ Leben. Wer trifft oder soll diese Entscheidung treffen? Muss der Patient zustimmen? Ist der Patient überhaupt fähig, seine eigene Lage gut einzuschätzen? Oder ist die Hilflosigkeit, die mit einer dramatischen Krankheit verbunden ist nicht gerade ein Hindernis, eine „mündige“ Entscheidung zu treffen?
Welche Kriterien werden für die Euthanasie gegeben? Historische Beispiele wie die Niederlande oder Kanada zeigen, dass, wenn Sterbehilfe einmal zugelassen wird, die Grenzen immer geweitet werden, sodass am Ende nicht nur sterbenskranke sondern auch psychisch kranke oder sogar Minderjährige das „Recht“ auf Euthanasie einfordern können.
Birgit Kelle kommentiert auf ihrem Blog bezüglich der Entscheidung: „Das Narrativ der „Selbstbestimmung“, ist bis zum Erbrechen überreizt, Opfer sind all jene, die nicht produktiv und nicht nützlich sind, oder sich auch nur so fühlen. Die Schwachen, die Kranken, die Alten, die Kinder. Wie frei gehen sie in den Tod, wenn man es ihnen als kassenärztliche Leistung anbietet? Wie mag sich ein Patient oder gar ein Kind fühlen, das den Tod als Lösung angeboten bekommt und sich sowieso schuldig fühlt, weil es den Eltern, der Verwandtschaft und überhaupt allen nur noch zur Last zu fallen scheint? Es hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack, dass die Kapitulation vor dem Leben die Lösung sein soll.“
Deutschland entfernt sich damit einen Schritt weiter vom Verständnis des Lebens als heilig und als schutz- und erhaltungswürdig.
Ein Hoffnungsschimmer bleibt bei der traurigen Angelegenheit jedoch bestehen: Einen Anspruch auf Sterbehilfe gibt es (noch) nicht. Kein Arzt ist somit verpflichtet, gegen sein Gewissen Sterbehilfe zu leisten.