Last updated on Juni 10th, 2021 at 05:10 am
Was die Transplantation von Organen anbelangt, sind wir beinahe schon bei chinesischen Praktiken angelangt. Während in China Menschen, die wegen „Meinungsdelikten“ zum Tode verurteilt sind, Organe entnommen werden – wobei einige von ihnen noch leben – um den riesigen und schmutzigen Schwarzmarkt zu sättigen, werden im Westen die Opfer nicht erschossen, sondern der Euthanasie unterzogen.
Die traurige Vorreiterrolle übernehmen wie so oft Kanada, Belgien und die Niederlande. Und zwar dreht sich die Debatte in der medizinisch-wissenschaftlichen Fachwelt mittlerweile nicht mehr um die Rechtmäßigkeit der Tötung eines Patienten, sondern darum, welches das ideale Sterbehilfe-Protokoll ist: im Krankenhaus oder im eigenen Zuhause? Die moralischen Skrupel beziehen sich dabei nicht auf die Todgeweihten, sondern auf die Verwendbarkeit der zu entnehmenden Organe.
Vor einiger Zeit plädierte die Zeitschrift JAMA Surgery ungeniert für die häusliche Sterbehilfe. „Die Aussage, dass Euthanasie im Krankenhaus stattfinden muss“, so heißt es im Artikel, „lässt den sehnlichsten Wunsch dieser Spender außer Acht: Es handelt sich um kranke Menschen, die des Krankenhauses überdrüssig sind und beschlossen haben, ihre Schmerzen in der Geborgenheit und der Privatsphäre der eigenen vier Wände zu beenden.“ Umgekehrt „werden viele potenzielle Spender abgeschreckt, wenn man die Notwendigkeit eines Krankenhausaufenthalts befürwortet.“
Außerdem, so die Fachzeitschrift, sei es falsch, „die Interessen von Transplantationspatienten gegen die Interessen von Euthanasie-Spendern auszuspielen und umgekehrt.“ Letztlich, so der Artikel weiter, „verdienen unsere Patienten etwas Besseres“.
Das von JAMA Surgery erwähnte „Mischverfahren“ sieht die häusliche Sedierung vor, so dass der Patient das Bewusstsein verliert, jedoch ohne Beeinträchtigung seiner Vitalfunktionen. Erst nach dem Transport ins Krankenhaus wird ein künstliches Koma induziert und die agonale Phase eingeleitet. Nach Einlieferung ins Krankenhaus wird den zur Euthanasie bestimmten Patienten Heparin verabreicht, das hilft, die Organe funktionsfähig zu erhalten. Im Anschluss erhalten sie einen Medikamentencocktail, der zu ihrem Tod führt. Diese Phasen werden in Belgien von drei verschiedenen Ärzten durchgeführt, die schließlich den Tod durch Herz-Lungen-Versagen feststellen.
Sowohl in Belgien als auch in den Niederlanden nimmt das Szenario noch schlimmere Ausmaße an, denn Euthanasie ist auch für Menschen erlaubt, die an einer psychischen Krankheit (sprich Depression) leiden.
Die gleiche Vorgehensweise wird nun auch in Kanada ins Auge gefasst. Dort entzündete sich zudem vor einigen Jahren eine Debatte in Anbetracht der Möglichkeit, bereits Organe vor und nicht erst nach dem letzten Herzschlag zu entnehmen. Die Tötung eines Menschen, der zwar psychisch aber nicht körperlich krank ist, kann ein Anreiz für die „gute Sache“ der Organspende sein. Mitsamt aller sich daraus ergebenden Spekulationen, wobei die Entartung der Psychotherapie nicht zu vernachlässigen ist: anstatt im Patienten die Liebe zum Leben wieder zu erwecken, könnte der Therapeut den Patienten dazu verleiten, sich den Tod zu wünschen, um ihn möglicherweise bei seinem Ableben zu begleiten.
Dadurch wird die Masche der rechtmäßigen Tötung erweitert: diese gilt dann nicht mehr nur für „Extremfälle“, beispielsweise Patienten im Endstadium oder im Zustand extremen Leidens, sondern auch für „einfache“ psychische Leiden, die alles andere als irreversibel sind. Dahinter verbirgt sich eine weitere Form der Irreführung, auf die wir seit geraumer Zeit aufmerksam machen: Dinge werden umbenannt, um sie verdaulicher zu machen; selbst die schädlichsten und abwegigsten Dinge werden umbenannt, um sie kulturell und moralisch salonfähig und damit rechtlich zulässig zu machen.
An dieser Stelle tut sich jedoch ein Dilemma auf, das die Euthanasiebefürworter spalten wird: Wie groß kann das Leid eines nicht todkranken Menschen tatsächlich sein im Vergleich zu jemandem, der seit Monaten oder gar Jahren unsägliche Schmerzen erleidet? Wie weit gehen die Grenzen des „würdevollen Sterbens“? Einige Pro-Choice-Bioethiker gehen so weit, dass sie von „rationalem Selbstmord“ sprechen. Jenseits des moralischen Scheidepunkts des assistierten Suizids für psychisch Kranke findet man auch Eugenetik-Extremisten, wie den australischen Philosophen Peter Singer. „Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass man einigen psychisch Kranken selbst durch Behandlung nicht helfen kann und sie sehr leiden“, behauptet Singer und zieht einen eindeutigen Schluss: Nur der Patient selbst kann einschätzen, wie „unerträglich“ sein Leid ist. Diese Aussage ist – um es vorsichtig auszudrücken – recht mehrdeutig, denn eine psychisch labiler Mensch ist per se leichter zu beeinflussen und daher weniger frei in seiner Wahl als ein Mensch, der im vollen Besitz seiner geistigen Fähigkeiten ist.
Das Overton-Fenster öffnet sich immer weiter und sorgt für weitere Zweifel und Verwerfungen unter den Euthanasie-Befürwortern, die sich zusehends in Extremisten und „Gemäßigte“ (!) aufteilen. Was das anbelangt, wird ein Lebensschützer nicht von solchen Zweifeln geplagt: Für das Leben zu sein, vereinfacht jegliche Argumentation und verlangt als einzige echte Anstrengung das Anbringen „guter Argumente“. Sich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob man eine psychisch kranke Person töten sollte, ist, kurz gesagt, reine Zeitverschwendung. Sich für das Leben zu entscheiden, zahlt sich immer aus. Auch weil die einzige Möglichkeit, Leid zu lindern, darin besteht, es zu akzeptieren.