Endlich tut sich etwas in Pakistan. In dem mehrheitlich muslimischen Land sind jedes Jahr Tausende junger Frauen, die religiösen Minderheiten angehören, sexuellen Übergriffen, Zwangskonvertierungen und betrügerischen Eheschließungen ausgesetzt. Diesbezüglich hat die Regierung nun Untersuchungen eingeleitet – ein erstes konkretes Zeichen für Veränderung.
Die Geschichte der kleinen Farah Shaheen hat ein gutes Ende genommen: Kurz nachdem wir auf unserer Seite von ihrem Fall berichteten, annullierte das Gericht in Faisalabad in einer historischen Entscheidung die Ehe, zu der sie von ihrem Entführer und Vergewaltiger gezwungen worden war.
Farah hat ihren Kampf gewonnen
Farah war von einem 45-jährigen muslimischen Pakistaner entführt, vergewaltigt und angekettet worden, doch konnte sie nach „Verhandlungen“ mit ihrem Peiniger schließlich befreit werden: ein kleines Novum in einem Land, wo nicht selten sowohl Polizei als auch Gerichte zum Wohlgefallen islamischer Extremisten agieren. Das Schicksal des Kindes war bis zur Urteilsverkündung am 16. Februar ungewiss. Obgleich von ihrem Entführer befreit, wurde Farah nicht zu ihrem Vater und ihren Brüdern in die kleine christliche Gemeinde, der sie angehört, zurückgebracht. Stattdessen wurde sie in einem Heim in Dar-ul-Aman untergebracht, wo sie weiter ein Leben als „Konvertitin“ führen musste. Zugleich wurden dem Gericht gefälschte Unterlagen vorgelegt, die Farahs wirkliches Alter verschleierten, mit dem Ziel den Freispruch des 45-jährigen Entführers, der sie zur Heirat gezwungen hatte, zu erlangen. Denn in Pakistan sind Eheschließungen mit minderjährigen Mädchen offiziell verboten, wenngleich die Realität anders aussieht.
In der letzten Anhörung wies Richter Rana Masood Akhtar jedoch die Gutachten, denen zufolge Farah bereits 16 oder 17 Jahre alt sei, als falsch ab und übergab das Mädchen mit folgender Begründung wieder an ihre Familie: „Sie möchte bei ihrem Vater leben. Da die Ehe zwischen Farah Shaheen und Khizar Hayat nicht registriert und der Ehevertrag nicht vom zuständigen Gemeinderat überprüft wurde, kann das Mädchen nicht auf unbestimmte Zeit in Dar-ul-Aman festgehalten werden. […] Der Vater hat sich zusammen mit seinen Familienmitgliedern verpflichtet, für Farah Shaheen zu sorgen und niemandem zu gestatten, ihrem Leben und ihrer Freiheit Schaden zuzufügen.“
„Gelobt sei Jesus Christus, unser Retter. Unser kleiner Engel Farah ist nach Hause zurückgekehrt“: Mit diesen Worten begrüßte Bischof Iftikhar Indryas, der Farahs Familie während des Prozesses Rechtsbeistand leistete, das positive Urteil. „Pakistan muss der Zwangsbekehrung unserer Mädchen ein für alle Mal ein Ende setzen […]. Es ist an der Zeit, dass die Regierung diesem Übel Einhalt gebietet“, fügte er hinzu. Der Kampf um Farah sei erst der Anfang: „Wir danken allen Christen dafür, dass sie ihre Stimme gegen die Beschimpfungen und Ungerechtigkeiten erhoben haben“, so der Prälat weiter. „Wir werden diesen Erfolg zu einem Präzedenzfall machen, um die Zwangskonvertierungen unserer Töchter zu stoppen. Es ist unsere Verantwortung als ihre Eltern und als ihre Beschützer, für ihre Sicherheit zu sorgen und sie, wenn sie Opfer derartiger Gewalttaten werden, zu unterstützen und alles zu tun, um sie nach Hause zurückzuholen.“
Jetzt ist die Regierung an der Reihe
Genau diesen Weg scheint die pakistanische Regierung einzuschlagen, wie von der Ministerin für Menschenrechte, Shireen Mazarai, verkündet: „Wir haben einen Gesetzesentwurf zur christlichen Ehe und zur Ehescheidung in Absprache mit den betroffenen Parteien vorbereitet. Wir haben mehrere Probleme festgestellt, für die wir eine Lösung finden müssen […]. Unsere Regierung verfolgt einen rechtlich fundierten Ansatz, um die in der Verfassung garantierten Rechte von Minderheiten zu schützen. Frauen und Angehörige von Minderheiten gehören zu den am stärksten bedrohten Gesellschaftsgruppen und benötigen daher besondere Garantien zum Schutz ihrer Rechte“.
Diese Aussagen machte die Ministerin anlässlich der interreligiösen Konferenz für junge Frauen, die von der katholischen Diözese Peshawar, der Kirche Pakistans, dem islamischen Seminar Jamia Asharafi und dem Rat für interreligiöse Harmonie organisiert wurde. Sie fand am 18. Februar statt und zeugt von der Möglichkeit eines fruchtbaren Dialogs zwischen den Vertretern der verschiedenen im Lande vertretenen Religionen. Mit ermutigenden Worten erklärte die Ministerin weiter: „Die Verfassung Pakistans sieht auch für Nicht-Muslime die gleichen Rechte vor. Im Islam gibt es das Konzept der Zwangsehe nicht. Daher sollten Minderheiten sich nicht eingeschüchtert oder bedroht fühlen. Der Staat wird alle Personen strafrechtlich verfolgen, die Angehörigen von Minderheiten zu schaden versuchen“.
Die neuen Gesetze zur christlichen Ehe und zur Ehescheidung, die derzeit im Parlament diskutiert werden, sollen die bisherigen aus dem 19. Jahrhundert stammenden Gesetze ablösen.
In Wirklichkeit gibt es in Pakistan bereits ein „schlummerndes“ Gesetz zur Zwangsheirat: Nach Abschnitt 498 B des Prevention of Anti-Women Practices Act aus dem Jahr 2011 wird Zwangsheirat mit einer Gefängnisstrafe von drei bis zehn Jahren und einer Geldstrafe von 500.000 Rupien bestraft. Jedoch, erläutert Peter Jacob, Direktor des Katholischen Zentrums für Soziale Gerechtigkeit (CSJ), wurde diese Klausel noch nie angewendet: „Es gab in der Nationalversammlung oder im Senat keine Debatten dazu. Weder die Polizei noch die Familien der Opfer wissen von diesem Gesetz. Alle Fälle von Zwangskonvertierungen werden als Vergewaltigung oder Entführung erfasst. [….] Man müsste einen Gesetzentwurf zur Änderung des Strafrechts verabschieden, der neben der Überprüfung des Alters und des Familienstandes der Beteiligten erfordert, dass jede religiöse Konversion von einem hohen Zivilrichter anerkannt, überprüft und bestätigt werden muss, um sicherzugehen, dass der Glaubenswechsel aus freiem Willen vollzogen wird“.
Die aktuellen Entwicklungen der letzten Wochen sind ein Hoffnungsschimmer für viele andere Mädchen, die wie Maira das gleiche dramatische Schicksal erleiden in einem Land, das noch Lichtjahre entfernt ist von Religionsfreiheit.