Einer, der nicht nach Utopia wollte: Thomas Molnar zum 100. Geburtstag

Die Textsammlung legt den Fokus auf Molnars kritische Auseinandersetzung mit der linken Theorien- und Ideengeschichte, insbesondere auf die „Frage nach dem Sinn von Autorität, die Analyse des utopistischen Gehalts von Ideologien und philosophischen Theorien sowie das Verhältnis von Staat und Kirche.“

Thomas Molnar: Einer, der nicht nach Utopia wollte.

Der katholische Philosoph und Historiker Thomas Molnar (1921 – 2010) war ein äußerst umtriebiger Denker und Publizist: er schrieb mehr als 40 Bücher und über 1.500 Artikel, in denen er hauptsächlich konservative Gesellschaftskritik der linken Ideologien zu Religion, Soziologie und Politik betrieb. Wurde er seinerzeit vor allem in den Vereinigten Staaten und seinem Heimatland Ungarn breit rezipiert, ist sein Werk im deutschen Sprachraum heute in Vergessenheit geraten – um nicht zu sagen „beschwiegen“ worden.

Mit der vorliegenden Festschrift, die acht Wissenschaftler aus sechs Ländern zu Molnars 100. Geburtstag, den dieser 2021 erlebt hätte, ihm jetzt gewidmet haben, soll den deutschsprachigen Lesern ein Vademecum zum Einstieg in seine Gedankenwelt gegeben werden: als konservativer Denker, der nicht nach Utopia wollte.

Thomas Steven Molnar wurde am 26. Juli 1921 In Budapest, Ungarn, geboren. Er emigrierte nach dem Kriegseintritt Ungarns an der Seite der Achsenmächte zunächst nach Belgien und studierte von 1944 bis 1948 an der Vrijen Universiteit Brussel Philosophie und Geschichte. An der Columbia University in New York City führte er sein Studium fort und promovierte dort 1952 in jenen beiden Fächern.

In den folgenden Jahren lehrte er an verschiedenen Universitäten der Vereinigten Staaten sowie in Südafrika, Argentinien und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs auch wieder in seinem Heimatland Ungarn. Molnar war verheiratet und Vater eines Sohnes. Er starb am 20. Juli 2010 in Richmond, Virginia.

Die Textsammlung der beiden Herausgeber Jan Bentz und Jochen Prinz legt den Fokus auf Molnars kritische Auseinandersetzung mit der linken Theorien- und Ideengeschichte, insbesondere auf die „Frage nach dem Sinn von Autorität, die Analyse des utopistischen Gehalts von Ideologien und philosophischen Theorien sowie das Verhältnis von Staat und Kirche.“ Es zeigt sich, wie aktuell Molnars Beobachtungen und Ausführungen in Anbetracht der gegenwärtigen Lyse von Autorität in Staat und Kirche und der linksideologischen Heilsversprechen unserer Tage sind.

Dass Molnar sich zeitlebens mit Vorliebe der Sektion utopischer Ideen der philosophischen Linken gewidmet hat, ist seinem Verständnis der ideellen Prägung der Gesellschaft und Geschichte durch Eliten geschuldet. So beschreibt der britische Historiker Patrick Allitt Molnars Sicht der Geschichte als

„eine Geschichte von der Entwicklung von Ideen über die Jahrhunderte. Er betont die Gedanken und die Werke eines kleinen Kreises von Eliten, ohne das Verhalten oder die Überzeugungen der Massen – weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart – für wichtig zu halten. Höchstens gelten sie als Ausweisungen dieser elitären Ideen.“

Die elitären Ideologien, „intellektuelle Systeme, die auf einer Idee basieren, deren Exklusivität und Überlegenheit über alle anderen Ideen behauptet werden“, beinhalten für Molnar jeweils Formen des Utopismus. Sie können nur behauptet werden, weil sie gleichzeitig von einem falschen Verständnis der menschlichen Natur ausgehen, welches Autorität, Hierarchie und Macht als anthropologische Realitäten und Notwendigkeiten ablehnt. Die Überwindung der Autorität und das Erreichen eines erlösenden Egalitarismus bilden das Ziel von Utopia, das aus Molnars Sicht aber unerreichbar bleiben muss: „Missverständnisse über die menschliche Natur führen zwangsläufig zu Missverständnissen über das Schicksal und die Ziele des Menschen“, so der Konservative in The Decline of the Intellectual.

„Einer, der nicht nach Utopia wollte“ beleuchtet in seinen acht Essays Molnars Analysen zu diesem Riss zwischen der konservativ intellektuellen und der linksideologischen utopistischen Sicht auf Mensch und Geschichte aus verschiedenen Perspektiven. Die Tour d’Horizon führt über die Beschäftigung mit den Konservativen der USA, Molnars konterrevolutionärem Denken und dem Entwurf einer Gegenrevolution, der Kritik an der liberalen Hegemonie und der Sozialismen, Gedanken zur politischen Philosophie Europas, die Utopie als politisches Instrument und schließt mit einem Essay zu Thomas Molnar und Thomas von Aquin.

Die acht Essays lassen Molnar zeigen, „wie die Mehrzahl der großen westlichen Philosophien seit der Moderne utopische Denkmuster aufweisen. Seine Analyse ist so aktuell wie nie und ermöglicht dem Leser einen neuen geschärften Blick auf die derzeitigen politischen und gesellschaftspolitischen Strömungen.“

Aus diesem Grund kann das Buch dem deutschsprachigen Leser der Gegenwart nur wärmstens ans Herz gelegt werden.

Jan Bentz, Jochen Prinz (Hrsg.): Einer, der nicht nach Utopia wollte: Thomas Molnar zum 100. Geburtstag, Patrimonium-Verlag, 2022.

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