[Dieser Artikel erschien ursprünglich am 10. September 2020 auf SALVO (www.salvomag.com); er wird hier mit Erlaubnis des Urhebers wiedergegeben. – Hrsg.]
Abtreibungsbefürworter haben in einem tristen, aber kaum überraschenden Manöver den Staat Tennessee verklagt, um zu verhindern, dass Abtreibungsanbieter Frauen über das Rückgängigmachen der Abtreibungspille informieren.
Was versteht man unter Abtreibungspille-Umkehrbehandlung, auf Englisch Abortion Pill Reversal? Bei einem medikamentösen (im Gegensatz zu einem chirurgischen) Schwangerschaftsabbruch nimmt eine Frau eine Kombination von zwei Pillen ein. Die erste Pille, Mifepriston, beendet das Leben des Babys, indem sie die Wirkung des Schwangerschaftshormons Progesteron hemmt. Nach Einnahme der zweiten Pille, Misoprostol, wird das tote Baby aus der Gebärmutter ausgestoßen. Bei einer Abtreibungspille-Umkehrbehandlung wird einer Frau, die zwar schon Mifepriston, aber noch nicht Misoprostol eingenommen hat, eine erhöhte Dosis Progesteron verabreicht, um die Wirkung von Mifepriston aufzuheben. Die Methode wurde von Dr. George Delgado entwickelt, um einer Frau zu helfen, die in seiner Praxis in Kalifornien angerufen hatte, weil sie ihre Entscheidung bereute und wissen wollte, ob es einen Weg gäbe, die Abtreibung zu stoppen. Seither hat Delgado eine Reihe von Fachartikeln zu diesem Thema verfasst, darunter eine Beobachtungsstudie mit 754 Frauen, an denen die Behandlung durchgeführt wurde. Insgesamt konnten über 60% der Frauen ihre Babys retten, und dies ohne erhöhtes Risiko für Missbildungen.
Doch gibt es zahlreiche Kritiker an Delgados Arbeit, allen voran das US-amerikanische Hörfunknetzwerk NPR. NPR ging detailliert auf die Mängel in Delgados Forschungsarbeit ein und kritisierte unter anderem das Fehlen einer „Kontrollgruppe“ im Projekt. In einer randomisierten kontrollierten Studie (dem Goldstandard der Forschung) würde eine erste Gruppe von Frauen – nach Einnahme von Mifepriston – Progesteron erhalten, während einer zweite Gruppe kein Progesteron verabreicht würde. Delgado selbst weist in seinem Forschungsprojekt ganz richtig darauf hin, dass eine Kontrollgruppe in diesem Fall unethisch sei, da die in der Studie erfassten Frauen sich bewusst für die Aufrechterhaltungihrer Schwangerschaft entscheiden. (In der medizinischen Literatur ist es allgemein anerkannt, dass randomisierte, kontrollierte Studien aus ethischen Gründen nicht immer durchführbar sind). In einem anderen Beitrag berichtet NPR, dass eine geplante Studie zur Abtreibungspille-Umkehrbehandlung aufgrund geringer Fallzahlen abgebrochen werden musste, da 25% der teilnehmenden Frauen mit starken Blutungen (ein bekanntes Risiko der Abtreibungspille) ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Diese Frauen hatten bereits Mifepriston eingenommen und warteten auf die Progesteronverabreichung. Die Verfasser der Studie behaupten, die Einnahme von Mifepriston ohne anschließende Misoprostolbehandlung sei gefährlich – obgleich die meisten Frauen, die sich einer Abtreibung unterziehen, eine gewisse „Wartezeit“ verstreichen lassen müssen, bis das Mifepriston wirkt und sie das Misoprostol einnehmen können. Zudem ist die Progesteronbehandlung in den ersten 24 Stunden am wirksamsten. (Ruft man den Kommentar der Autoren zu ihrer Studie auf, landet man inzwischen übrigens auf einem toten Link).
Was sollen wir von dem Ganzen halten? Nun, dass es die Pro-Choice-Befürworter offenbar für unethisch halten, Frauen – die einen medikamentösen Schwangerschaftsabbruch planen – Wissen an die Hand zu geben, aufgrund dessen sie ihre Entscheidung treffen und so ihre Meinung ändern und ihr Baby retten könnten. Handelt es sich um ein neues und vielleicht sogar experimentelles Verfahren? Ja, aber mehrere Studien haben bereits Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung nachgewiesen. Hingegen hat die klinische Forschung ihre eigenen Schwächen und die Einnahme der Abtreibungspille ist sicherlich auch nicht risikofrei. Vor allen Dingen aber streben diejenigen, die die Implementierung dieses Gesetzes in Tennessee zu blockieren versuchen, den Schutz des lukrativen „Geschäfts Abtreibung“ an.