„Altos Lab“: die Superreichen und ihr Wunsch nach Unsterblichkeit

Jeff Bezos und russischer Milliardär Yuri Millner fürchten sich vor dem Tod: ein neues Biolabor erhält massive Fördermittel, um Unsterblichkeit zu erforschen.

Wir hatten gerade darüber berichtet, da erreichen uns schon neue Nachrichten zum „Trend der Unsterblichkeit“, der unser Zeitalter kennzeichnet. Ein Trend, der nichts mit dem transzendentalen Wunsch nach Erfüllung zu tun hat, sondern vielmehr mit dem Versuch, eine unbestimmte Anzahl von Jahren in einem mehr oder weniger körperlichen Dasein im Leben fortzudauern. Für alle Tolkien-Fans: Das Verb „fortdauern“ ist eine klare Anspielung auf Sauron. Nur das Gute existiert; das Böse hingegen überdauert, solange es kann, ähnlich wie Lord Voldemort auf dem Schädel des armen Professor Quirrell.

Der Wunsch, ewig zu leben, übt eine unwiderstehliche Faszination aus. Selbst auf die strengsten Materialisten, für die der Blick zu den Sternen keinerlei Fragen aufwirft, wenn nicht die, ein Investitionsprojekt zu entwerfen, um dort oben herumspazieren zu können. Als ob es ausreichen würde, „über den Wolken zu fliegen und die Sterne einzeln zu betrachten“, um festzustellen, „warum so viele Gesichter? […] und was bin ich?“.

Altos Labs: Auf der Suche nach Unsterblichkeit

So entstand im Oktober letzten Jahres Altos Labs, ein im Silicon Valley ansässiges Unternehmen für biologische Reprogrammierungstechnologie, das offenbar von verschiedenen Persönlichkeiten, darunter dem ehemaligen Amazon-CEO Jeff Bezos und dem russisch-israelischen Milliardär Yuri Milner, umfangreiche Finanzierungen erhält. Dank dieser beeindruckenden Investoren, heißt es, rekrutiere Altos Labs die besten Wissenschaftler auf dem Markt, darunter Juan Carlos Izipisua Belmonte, Biologe am Salk Institute im kalifornischen La Jolla. Dieser forscht an einer Methode, die Zellentwicklung in den pluripotenten Zustand der Embryonalstufe zurückzuversetzen, mit dem „Ziel, sicherere und hochwertigere Produkte für die regenerative Medizin bereitzustellen“. Zu diesem Zweck „hat er Pionierarbeit geleistet hinsichtlich der Züchtung von Embryonen, zum Beispiel nichtmenschlicher Primaten, d.h. der Erschaffung artifizieller Säugetierembryonen und -organoiden. Er hat als erster Wissenschaftler Mensch-Schwein-Chimäre erschaffen, indem er menschliche Stammzellen in einen Schweineembryo injiziert hat, der dann in die Gebärmutter einer Sau eingepflanzt wurde, damit er weiter wachsen konnte. Ihm zur Seite steht Steve Horvath, Professor an der University of California inLos Angeles und Entwickler einer „biologischen Uhr“, mit der man das menschliche Altern genau messen kann. Sein Fachwissen wird nützlich sein, um die Wirksamkeit von „Verjüngungstechniken“ zu testen, ohne die natürliche Entwicklung der Zellen abzuwarten, die Jahrzehnte dauern würde. Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats von Altos Labs ist Shinya Yamanaka, Nobelpreisträger für Medizin für seine Forschungen zur Umkehrung des Zellalterungsprozesses.

Altos Labs hat ein klares Ziel: Man wolle „verstehen, wie die Verjüngung funktioniert, so Manuel Serrano, ein ehemaliger Mitarbeiter des Biomedizinischen Forschungsinstituts in Barcelona, der nun in Silicon Valley arbeitet ist, weil ihm ein fünf- bis zehnmal höheres Gehalt angeboten wurde. Serrano, der früher in Spanien zelluläre Seneszenz und Gewebeumbauprozesse während der Embryonalentwicklung untersuchte, hat seine Forschungsgebiete in letzter Zeit auf den Stoffwechsel und die zelluläre Reprogrammierung im Zusammenhang mit der Alterung ausgeweitet.  Heute sagt er: „Die fortschrittlichste wissenschaftliche Hightech-Forschung erfordert erhebliche finanzielle Mittel, und die haben wir hier [bei Altos Labs].“

Freiheit, Neues zu wagen und zu entdecken

Ziel der Forschung in den Altos Labs ist somit die Entwicklung einer Technologie zur biologischen Reprogrammierung, einer Methode zur Verjüngung von Zellen im Labor. Einigen Wissenschaftlern zufolge könnte diese Methode auf die Revitalisierung ganzer Körper ausgedehnt werden und so das menschliche Leben verlängern.

Das Unternehmen hat noch keine offiziellen Angaben dazu gemacht, aber anscheinend verfügt es bereits über mindestens 270 Millionen Dollar Kapital, das nicht nur von Bezos und Milner gestiftet wurde, sondern auch von anderen wohlhabenden Persönlichkeiten aus der Technologiebranche. Mit diesen Mitteln wird Altos die Forschung finanzieren, aus der noch keine unmittelbaren Produkte oder Einnahmen zu erwarten sind.

Die eingesetzten Technologien erscheinen jedoch äußerst gefährlich.

Wenn adulte Zellen durch eine Behandlung in Stammzellen umgewandelt werden, werden sie nicht einfach verjüngt, sondern verändern auch ihre Struktur. Bei einigen der Labormäuse führte dies zur Entwicklung von Teratomen (embryonalen Tumoren). Der Nobelpreisträger Yamanaka räumt ein, dass es „noch viele Hindernisse zu überwinden gibt“, spricht aber von einem „enormen Potenzial“. Serrano, der einzige am Projekt beteiligte Wissenschaftler, der einem Interview zugestimmt hat, erklärte, dass die Philosophie von Altos Labs darin bestehe, von Neugier getriebene Forschung zu betreiben. […] In diesem Fall haben wir dank eines privaten Unternehmens die Freiheit, etwas zu wagen und Neues zu entdecken.“

Weiterleben als eigenständige Wesen

Bezos ist diese Art von Initiative nicht fremd. In der Vergangenheit hatte er bereits in ein Unternehmen, Unity Biotechnology, investiert, das sich mit der Erforschung altersbedingter Krankheiten wie dem kognitiven Verfall beschäftigt. Das Zitat aus einem Text des Biologen Richard Dawkins, das Bezos in seinem letzten Brief an die Amazon-Aktionäre anführt, ist bezeichnend: „Staving off death is a thing that you have to work at… If living things don’t actively work to prevent it, they would eventually merge with their surroundings and cease to exist as autonomous beings. That is what happens when they die“. Wenn die Menschen nicht aktiv etwas gegen den Tod unternehmen, werden sie schließlich mit ihrer Umgebung verschmelzen und aufhören, als eigenständige Wesen zu existieren

Was aber, wenn die eigentliche Belohnung eine sterbliche Existenz ist?

Connor MacLeod -der in dem Film Highlander von Russell Mulcahy aus dem Jahr 1985 vom Schauspieler Christopher Lambert gespielt wird – ist ein schottischer Krieger, der auf wundersame Weise unverwundbar ist und zu einem jahrhundertelangen Duell mit anderen Unsterblichen wie ihm bestimmt ist, bis zum letzten Zusammentreffen. Bei diesem äußert er den zum Mantra gewordenen Satz: „Es kann nur einen geben“. Die Geschichte veranschaulicht sehr gut, was die „biologische“ Unsterblichkeit bedeutet: eine zeitlich unbegrenzte Existenz, die nur wenigen vorbehalten ist, wobei sie fortwährend leiden, weil sie alle Menschen, die sie lieben, sterben sehen. Nur einige wenige Menschen, genau wie die heutigen Milliardäre, die über genügend Geld verfügen, um in den Genuss der Forschungsergebnisse zu kommen – zumindest ist das im Moment so.

Wie viele erinnern sich noch an die Belohnung, die Connor am Ende des Films nach seinem Sieg über Kurgan, den zynischen Bösewicht und Mörder von Connors geliebter Frau, bekommt? Nach Jahrhunderten des Kampfes auf Leben und Tod erhält Connor endlich die Chance, ein sterbliches Leben zu führen und Kinder zu bekommen. In den 1980er Jahren hatten die Menschen noch eine ungefähre Vorstellung davon, wie das Paradies aussehen sollte. Heute ziehen es die Menschen vor, es bequem vom Sofa aus zu kaufen, nur einen Mausklick entfernt. Hauptsache die Lieferung erfolgt Prime und ohne Transzendenz.

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