Bioethik-Gesetz in Frankreich droht zu entgleisen

Frankreichs Bioethik-Gesetz beeindruckt durch sein Ausmaß an Transgressionen, doch wächst der Widerstand gegen diese unmenschliche Verordnung.

Die französische Nationalversammlung hat mit der zweiten Lesung des geplanten Bioethikgesetzes begonnen. Diese ist vollkommen surreal. Beginnen wir mit der Tagesordnung: Frankreich hat gerade den Covid-bedingten Lockdown überwunden, seine Wirtschaft befindet sich in sehr schlechtem Zustand und im Herbst droht eine Insolvenzwelle. Die erste Entscheidung der neuen Regierung von Jean Castex war jedoch, über ein Gesetz zu diskutieren, das 71% der Franzosen mit gesundem Menschenverstand für keine Priorität halten! Es sei angemerkt, dass die Mehrheit des Parlaments ursprünglich geplant hatte, diesen Gesetzentwurf nicht vor 2021 zu debattieren, doch die LGBT-Lobby zeigte die Zähne und die Mehrheit gab sofort nach…

Diese Diskussion ist umso beunruhigender, als dass die Rechte der Opposition verspottet und sogar mit Füßen getreten werden. Zunächst einmal hat sich die Mehrheit wie bereits in der ersten Lesung (und entgegen der üblichen Gepflogenheiten bezüglich des Bioethikgesetzes) für eine zeitgebundene Debatte entschieden, was bedeutet, dass die Verhandlungen zeitlich begrenzt sind und die Opposition nur sehr wenig Zeit hat, ihre Argumente im Sitzungssaal vorzubringen. Darüber hinaus findet die Debatte zu einem Zeitpunkt statt, in der Demonstrationen aufgrund der Epidemie nicht gestattet sind, so dass die Kritiker des Gesetzes schlicht und einfach keine Gelegenheit haben, sich Gehör zu verschaffen. Zudem glänzen Regierung und Mehrheit durch Abwesenheit und Unprofessionalität. Anders als im Ausschuss sonst üblich, ließen sich die Minister so gut wie nie blicken. Am Abend des ersten Sitzungstags waren im Plenarsaal nur zwei Mitglieder der Mehrheit anwesend – alle anderen befanden sich auf Einladung des Premierministers auf einer Cocktailparty.

Aber das Unfassbarste sind mit Sicherheit die Vorschläge des Ausschusses. Alle möglichen Exzesse des Liberalismus wurden vorgelegt – Gott sei Dank werden einige von ihnen abgelehnt werden, aber allein die Tatsache, sie vorzuschlagen, sagt viel über den Werteverfall der eigentlichen Idee der Menschenwürde innerhalb des Abgeordnetenhaus aus. Ich werde nicht über alles berichten können, da das Spektrum des Wahnsinns zu weitläufig ist. Hier ein beispielhafter Auszug: Die staatlich beschlossene Zeugung vaterloser Kinder, um die Launen der Erwachsenen zu befriedigen (sprich: alleinstehende Frauen und weibliche Paare können eine künstliche Befruchtung ohne Vater durchführen – selbstverständlich auf Kosten der Krankenkasse!); die Kreation von transgenen Embryonen; die Erschaffung von Chimären (halb Mensch, halb Tier); der erste Schritt zur Legalisierung von Leihmutterschaft durch die ROPA-Methode (steht für „reception of oocyctes from partner”, Empfangen der Partner-Eizelle: Damit zwei Frauen „in gleichem Maße“ Mütter sind, stellt die eine ihre Eizelle zur Verfügung, diese wird – nach der Befruchtung mit Sperma eines anonymen Spenders – in die Gebärmutter der anderen eingepflanzt!); Ausweitung der Eugenik durch Legalisierung der PID-A (Präimplantationsdiagnose der Aneuploidie) mit dem Ziel Embryonen mit abweichender Chromosomenzahl zu vernichten, welche im Zuge der künstlichen Befruchtung entstanden sind – mit anderen Worten, die Technik zielt darauf ab, Embryonen mit Trisomie zu zerstören. Dies sind nur einige der zur Debatte stehenden „Fortschritte“ des Bioethik-Gesetzes, die einem eiskalte Schauer über den Rücken jagen.

Es besteht noch etwas Hoffnung. Auch wenn die Gegner scheinbar eine „kleine Minderheit“ im Parlament sind, kämpfen sie wie Löwen – wir sollten ihnen allen danken, Emmanuelle Ménard, Xavier Breton, Marc Le Fur, Agnès Thil, sowie vielen anderen, die obwohl sie verschiedenen Parteien angehören, gemeinsam für die Menschenwürde kämpfen, welche angesichts des Zusammenwirkens von Staat und Wirtschaft zur bloßen Sache degradiert wird. In Zukunft vielleicht noch wichtiger ist, dass sich viele Bischöfe ausdrücklich gegen diese Missstände geäußert haben. Neben vielen anderen Stimmen (denen wir allen danken), seien an dieser Stelle folgende genannt:

Msgr. Ginoux, Bischof von Montauban: „Die Wissenschaft steht nicht mehr im Dienste des Menschen, sondern lässt Unmenschliches heranwachsen. Die Überschreitung von Grenzen wird nicht zur Entfaltung der Menschheit beitragen. Denkt man gründlich über die menschliche Natur nach, erkennt man, dass diese neuartige Anthropologie sowohl den Ursprung als auch das Ende des Menschen verkennt, um ihn in ein Wesen zu verwandeln, das – je nach willkürlicher Laune und wechselnder Situation – von der Technologie manipuliert wird: Der Wunsch nach einem Kind um jeden Preis, eher einem Streben nach Befriedigung gleichkommend, entspricht nicht der Selbsthingabe in einer gemeinsamen, erwiderten Liebe und bleibt steril, selbst wenn man ein Kind erzeugt. Wie Papst Franziskus oft sagt, „ist alles miteinander verbunden“: Man kann nicht einerseits zu Recht einen ganzheitlichen Umweltschutz fördern, die Natur, die Tiere, den Planeten respektieren, aber andererseits das Recht eines Kindes auf Vater und Mutter ignorieren, den menschlichen Embryo missachten und leugnen, dass der Mensch ein Geschöpf ist und dass er einen Schöpfer hat. Alles, was unsere Parlamentsmitglieder zur Vernunft bringen kann, muss zum Wohle aller getan werden. Die Legalisierung von Transgressionen würde einmal mehr die Pforten für alle Formen von Übergriffen öffnen.“

Msgr. Rey, Bischof von Fréjus-Toulon: „Die für weibliche Paare zugängliche künstliche Befruchtung, durch die ein Kind seines Vaters beraubt wird, ist nur die Spitze des Eisbergs in Gestalt eines hochgradig transgressiven Textes. Da wir wissen, wie wichtig die Komplementarität zwischen Mann und Frau ist, können wir diesen tiefgreifenden anthropologischen Umbruch nicht akzeptieren, der willentlich die Vaterschaft bei der Erzeugung, der Erziehung und im Leben eines Kindes auslöscht. Ein Kind wird nicht mehr als ein Geschenk, sondern als ein Rechtsanspruch angesehen. Ein Kind wird von nun an die Frucht eines gesetzlich verankerten „Elternprojekts“ sein, und der Leihmutterschaft dadurch Tür und Tor öffnen. Die übrigen Vorschläge sind eines Staates, der den Anspruch erhebt, Menschenwürde anzuerkennen und zu achten, unwürdig. […] Wir können uns nicht mit einer Ökologie zufrieden geben, die nur das Klima und die Umwelt betrifft, ohne dabei die Natur und die Würde des Menschen von seiner Zeugung bis hin zu seinem natürlichen Tod zu berücksichtigen. […] Zwischen dem Frankreich der Roboter, der Technologie, des als neuer Glaube propagierten Fortschritts, und dem Frankreich der Fürsorge für die Armen, der Bekämpfung des Elends, der bedingungslosen Wertschätzung des Menschen, der Besonnenheit und des Miteinanders haben wir unsere Entscheidung getroffen.“

Msgr. Marc Aillet, Bischof von Bayonne, Lescar und Oloron: „Die ‘Zauberlehrlinge’ der ‘Sonderkommission’, die vor keiner Grenzüberschreitung zurückschrecken, stehen in der Tat am Ausgangspunkt einer Reihe von Bestimmungen, die zweifelsohne zu einem „großen anthropologischen Bruch“ führen. […] Wer hätte nicht unter solchen Bedingungen Angst vor einer Beeinträchtigung des Menschen, seiner Herabwürdigung auf ein Produkt, welches den egoistischen Wünschen einer privilegierten Minderheit von wirtschaftlicher Bedeutung zur Verfügung steht, seiner Reduktion auf eine Ware für medizinische Forschungszwecke, wenn man sich andererseits anscheinend mit großem Aufwand für die Erhaltung von Tierarten im Namen des Naturschutzes einsetzt? Wie können wir unsere Entrüstung angesichts eines scheinbar forcierten Inkrafttretens einer Rechtsnorm verbergen, die inmitten der sommerlichen Lethargie vonstatten geht, ausgerechnet jetzt, wo die Franzosen nach überstandenen Monaten der Ausgangssperren Entspannung und Zuflucht suchen? Es ist sogar zu befürchten, dass die von der politisch-medialen Schicht aufrechterhaltene Psychose um eine hypothetische zweite Epidemiewelle, welche zur autoritären Umsetzung unverhältnismäßiger Mittel zur Bekämpfung der Pandemie führt, dazu dient, die Aufmerksamkeit der Bürger von diesem billigen politischen Schachzug abzulenken. Weshalb erwähnt der Premierminister in seiner politischen Grundsatzerklärung den Entwurf des Bioethikgesetzes mit keinem Wort, obwohl das Thema in der Nationalversammlung als dringlich behandelt wird? Ist das Gewissen unserer Mitmenschen derart abgestumpft, dass sie die Tragweite solch verheerender Verstöße gegen die Würde des Menschen, allen voran die der Schwächsten, nicht mehr einschätzen können? Wie lange noch können wir uns gegen den Schöpfer und seinen von Weisheit und Liebe durchdrungenen Plan versündigen?“

Es gibt zahlreiche Aussagen, die Aufmerksamkeit verdienen. Sie alle sind hier aufgeführt. Seit einigen Jahren äußert sich die Kirche in Frankreich immer deutlicher zu den Themen Leben und Familie, und das ist meiner Meinung nach entscheidend für die Zukunft: Vor unseren Augen entsteht eine Koalition zum Lebensschutz, die wir fast ein halbes Jahrhundert lang schmerzlich vermisst haben. Im Moment verlieren wir zwar einige Schlachten, doch schaffen wir – langsam, aber sicher – die Bedingungen für einen letztendlich siegreichen Widerstand gegen die Zerstörung, die unter dem Deckmantel des Fortschritts daherkommt.

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